1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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meinen wir die «Lex Romana Curiensis» 23 und die «capitula Remedii» 24 , beide<br />
haben zu zahlreichen Streitfragen Anlass gegeben. Unbestritten ist es meines<br />
Wissens jetzt, dass die Lex Romana Curiensis in Rätien praktisch zur<br />
Anwendung kam 25 . Dies ist für uns <strong>von</strong> Wichtigkeit, näher auf den Streit über<br />
Entstehungszeit und Entstehungsort einzutreten, liegt ausser dem Rahmen<br />
unserer Arbeit. Immerhin sei bemerkt, dass wir der Meinung derjenigen<br />
beipflichten, die Rätien <strong>als</strong> Entstehungsort der Lex annehmen und <strong>als</strong><br />
Entstehungszeit den Zeitraum <strong>von</strong> der Mitte bis Ende des achten Jahrhunderts 26 .<br />
Hinsichtlich der capitula Remedii, einer strafrechtlichen Kodifikation aus der<br />
Zeit des <strong>Bischof</strong>s Remedius, dreht sich der Streit hauptsächlich um die Frage,<br />
ob denselben öffentlich-rechtlicher oder hofrechtlicher Charakter beizumessen<br />
sei. Wir werden hauptsächlich <strong>im</strong> 6. Kapitel darauf zurückkommen. 27 Mit<br />
diesen unsern Bemerkungen über die lex Romana angereihten Hinweise auf das<br />
Werk des <strong>Bischof</strong>s Reme-<br />
S. 07: dius sind wir unsern letzten Angaben über die <strong>Chur</strong>er <strong>Bischof</strong>sreihe etwas<br />
vorausgeeilt, denn <strong>als</strong> Tellos Nachfolger ist vor Remedius noch der <strong>Bischof</strong><br />
Constantius zu erwähnen. Aus seiner Regierungszeit ist ein sogenanntes<br />
Diplom Karls des Grossen erhalten, worin dieser den <strong>Bischof</strong> <strong>von</strong> <strong>Chur</strong> und das<br />
Volk Rätiens in seinen Schutz n<strong>im</strong>mt und in seinen alten Rechten und<br />
Gewohnheiten zu erhalten verspricht 28 . Da die in dieser Schrift dem <strong>Bischof</strong><br />
Constantius beigelegte Bezeichnung «Rector» in Verbindung mit «Territorium»<br />
(nicht mit «Ecclesia») vorkommt, geht die herrschende Ansicht 29 dahin, sie<br />
beziehe sich auf die weltliche Gewalt in Rätien, komme <strong>als</strong>o dem frühem Titel<br />
«Präses» in der Bedeutung gleich. Dagegen spricht jedenfalls nicht der<br />
Umstand, dass am Schluss des Diploms statt «Rector» der Titel «Episcopus»<br />
sich findet. Denn letztere Würde überragte in dieser Zeit die gräfliche an<br />
23 Planta a. a. O. Anhang.<br />
24 Planta a. a. O. Anhang, Cod. dipl. I, 192.<br />
25 Beweis dafür liefert Urkunde Wartmann Nr. 421, S. Brunner, Zur Rechtsgeschichte der römischen und<br />
germanischen Urkunde, 247.<br />
26 Besonders Zeumer, der uns durch Mayer nicht widerlegt scheint, beispielsweise Mayers Ausführung<br />
über die Ernteferien in der Lex Romana Curiensis und die rätischen kl<strong>im</strong>atischen Verhältnisse können<br />
nicht <strong>als</strong> Argument gegen die Entstehung der Lex in Rätien gelten, da sich nachweisbar das Kl<strong>im</strong>a in<br />
Rätien bedeutend verändert hat. Siehe auch Mutzner 59 ff., wo noch weitere Gründe gegen Mayer<br />
angeführt sind.<br />
27 Siehe unten S. 52.<br />
28 Mohr, Cod. dipl., I Nr. 10.<br />
29 Siehe z.B. Tuor, Die Freien <strong>von</strong> Laax, 9.