1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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Ganz anders <strong>als</strong> in den bisher erwähnten T<strong>als</strong>chaften lagen die Verhältnisse <strong>im</strong><br />
Unterengadin, wo zu sehen ist, dass nicht jede <strong>Grundherr</strong>schaft mit völliger<br />
Gerichtsherrschaft verbunden war, besonders dann nicht, wenn die<br />
Machtverhältnisse für den <strong>Grundherr</strong>n ungünstige waren.<br />
S. 153: Zwischen Tirol und Graubünden gab es <strong>von</strong> den ältesten Zeiten an keine<br />
best<strong>im</strong>mten Grenzen 608 . Die Bischöfe <strong>von</strong> <strong>Chur</strong> hatten weltliche Rechte <strong>im</strong><br />
ganzen Vinstgau, mit denen teilweise die Herren <strong>von</strong> Matsch und Reichenberg<br />
belehnt waren. Anderseits hatten die Grafen <strong>von</strong> Tirol <strong>im</strong> Münstertal und<br />
Engadin Güter mit Leuten und übten dort landesfürstliche Rechte. Als sich das<br />
Übergewicht <strong>im</strong>mer mehr auf die Seite der Grafen <strong>von</strong> Tirol neigte, begann die<br />
lange Kette der zwischen diesen Grafen und dem Bistum <strong>Chur</strong> um die<br />
verschiedenen Hoheitsrechte in den genannten Gegenden mit wechselndem<br />
Erfolg geführten Streitigkeiten. Nach dem Übergang der Grafschaft Tirol an die<br />
Herzoge <strong>von</strong> Österreich wurde der Streit <strong>von</strong> ihrer Seite in der Weise geführt,<br />
dass sie den bischöflichen Stuhl in <strong>Chur</strong> um jeden Preis mit Anhängern ihrer<br />
Sache zu besetzen suchten. Als nach dem Konzil zu Konstanz auf seiten der<br />
Herzöge <strong>von</strong> Österreich eine Zeit der Ermattung eintrat, benutzten dies die vom<br />
<strong>Bischof</strong> mit der Vogtei <strong>im</strong> Vinstgau belehnten Herren <strong>von</strong> Matsch, um zu<br />
eigenem Vorteil gegen den <strong>Bischof</strong>, ihren Lehensherrn, aufzutreten. Dieser<br />
Kampf endete schliesslich mit der Beschränkung der Vogtei der Herren <strong>von</strong><br />
Matsch auf das Matschtal, welche durch einen <strong>im</strong> Jahr 1421 erfolgten<br />
Schiedsspruch des Herzogs Ernst <strong>von</strong> Österreich herbeigeführt wurde.<br />
Unterdessen hatten sich die gerichtlichen Verhältnisse <strong>im</strong> Unterengadin<br />
folgendermassen entwickelt. Die gräfliche Judikatur hatten - allerdings unter<br />
stillem Protest der Bischöfe - stets die Grafen <strong>von</strong> Tirol ausgeübt, und zwar<br />
durch ihren Pfleger auf Naudersberg. Dagegen besassen die Bischöfe <strong>von</strong> <strong>Chur</strong><br />
über ihre nach und nach erworbenen Besitzungen, die wir an anderer Stelle<br />
aufgezählt haben, eine wenig weitgehende Immunitätsgerichts-<br />
S. 154: barkeit 609 . Bis zum 14. Jahrhundert scheinen wie anderswo so auch <strong>im</strong> Inntal<br />
Vögte die Immunitätsgerichtsbarkeit ausgeübt zu haben, die wohl am<br />
intensivsten in den bischöflichen Burgen anliegenden Gemeinden Zernetz,<br />
Ardez und Remüs, weniger intensiv über die vielen zerstreuten Gotteshausleute<br />
608 <strong>Der</strong> folgende kurze geschichtliche Abriss hält sich an Jäger, Regesten über das Verhältnis der Bischöfe<br />
<strong>von</strong> <strong>Chur</strong> zu den Grafen <strong>von</strong> Tirol.<br />
609 z.B. ging mit der Veste Remüs bloss die Gerichtsbarkeit über die Güter und darauf sesshaften Leute,<br />
nicht aber die <strong>von</strong> den Herren <strong>von</strong> Remüs in einem festen Bannbezirk territorial ausgeübte<br />
Gerichtsherrschaft, auf das Bistum über.