1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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In dem Vorgang, der dies Schreiben Victors II. veranlasste, sehen Zeumer 269<br />
und Plattner 270 eine Teilung des Kirchengutes (Säkularisation) zugunsten der<br />
weltlichen Gewalt, wie sie Mitte des VIII. Jahrhunderts oft vorkam. Zuzugeben<br />
ist, dass solche Einziehungen <strong>von</strong> Kirchengut «divisiones» genannt wurden 271<br />
und dass sie jedenfalls auch manchmal Kirchen und Klöster betrafen 272 .<br />
Entgegenzuhalten ist aber der Ansicht Zeumers und Plattners folgendes: In<br />
unserer Urkunde ist nicht einfach <strong>von</strong> einer divisio die<br />
S. 79: Rede, sondern <strong>von</strong> einer divisio inter comitatum et episcopatum. Mit diesem<br />
Ausdruck wird sonst nirgends eine Säkularisation bezeichnet. Und nicht über<br />
diese Teilung, «quam bonae memoriae genitor vester fieri praecepit», beklagt<br />
sich der <strong>Bischof</strong>, sondern nur über die praktische Durchführung dieser<br />
Massregel Karls des Grossen. Eine gewöhnliche Kirchengutseinziehung würde<br />
aber jedenfalls <strong>als</strong> solche schon vom <strong>Bischof</strong> bekämpft worden sein 273 . Mit dem<br />
bei Säcularisationen üblichen Verfahren st<strong>im</strong>mt es auch nicht überein, dass das<br />
weggenommene Gut vom König andern ad proprietatem verliehen wurde, wie<br />
Victor berichtet.<br />
Ganz aus der Luft gegriffen scheint mir die Behauptung Plattners, dass<br />
Roderich nicht Graf <strong>von</strong> Rätien, sondern «irgend ein Graf» gewesen sei. Heisst<br />
es doch, dass er «post comitatum acceptum» diese «distructio» der Kirche in<br />
<strong>Chur</strong> durchgeführt habe. Was liegt <strong>als</strong>o näher, <strong>als</strong> dass eben Roderich, nachdem<br />
ihm die rätische Grafschaft verliehen, die besagten Schritte in Rätien<br />
unternommen. Verschiedener Ansicht kann man über das Verhältnis Roderichs<br />
zu Hunfried sein, beziehungsweise darüber, ob Roderich Graf beider Rätien<br />
war oder bloss Graf <strong>von</strong> Currätien 274 . Man sieht <strong>als</strong>o, gegen die Auffassung<br />
Zeumers und Plattners sprechen verschiedene Gründe. Dagegen können, wie<br />
uns scheint, gegen die <strong>von</strong> uns schon <strong>im</strong> zweiten Kapitel skizzierte Auffassung<br />
Plantas, dass sich der Brief Victors eben auf die Auseinandersetzung <strong>von</strong><br />
Bistum und Grafschaft beziehe, welche infolge der <strong>von</strong> Karl dem Grossen<br />
verfügten Scheidung dieser zwei Mächte notwendig geworden, keine<br />
gewichtigen Gründe ins Feld geführt werden. Diese Ansicht hat noch an<br />
269 Zeumer a. a. O. 15.<br />
270 Plattner a. a. O. 6 ff.<br />
271 Schröder a. a. O. 163.<br />
272 Stutz, Benefizialwesen, 183.<br />
273 Siehe Stutz a. a. O. 159 ff.<br />
274 Planta, Das alte Rätien, 361.