1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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gehandhabt werden konnte. Wie <strong>im</strong> Vinstgau, so waren auch hier die Herren<br />
<strong>von</strong> Matsch und die Herren <strong>von</strong> Reichenberg mit der Vogtei belehnt. Im 15.<br />
Jahrhundert erscheinen dann folgende Gerichtsstäbe: 1. <strong>Der</strong> Steinsberger für die<br />
Gemeinden Ardez, Guarda, Lavin, Süs und Zernetz, 2. der Schulser für die<br />
Gemeinden Schuls, Sins und Fetan, 3. der Remüser für die Gemeinden Remüs,<br />
Schleins und Samnaun 610 .<br />
Für jeden dieser Stäbe war ein «Richter» oder «Ammann» bestellt. In<br />
Gemeinschaft mit den <strong>von</strong> den Gotteshausleuten gewählten Geschworenen<br />
erledigten diese Richter die Fälle, die sich um Erb und Eigen,<br />
Forderungssachen und Frevel der bischöflichen Eigenleute und freien<br />
Hintersassen drehten. Sie übten <strong>als</strong>o bloss dingliche und einen niedern Grad<br />
persönlicher Gerichtsbarkeit über die Gotteshausleute aus. Von einer<br />
territorialen Ausbildung der Gerichtsbarkeit ist keine Spur zu finden. <strong>Der</strong> <strong>von</strong><br />
den Grafen bestellte Pfleger auf Naudersberg aber übte dementsprechend die<br />
gesamte gräfliche Gerichtsbarkeit über die österreichischen Herrschaftsleute<br />
vom Unterengadin und behandelte ausserdem die schweren Fälle der <strong>Chur</strong>er<br />
Gotteshausleute und der Klosterleute <strong>von</strong> Münster und Marienberg. Besonders<br />
komplizierte Gerichtsstandverhältnisse konnten hier entstehen, wenn Eigenleute<br />
Boden bebauten, der nicht ihrem Leibherrn gehörte.<br />
S. 155: So ungefähr lagen die Dinge in praxi. In Theorie aber beanspruchten die Grafen<br />
<strong>von</strong> Tirol noch weitergehende Rechte, während auf der andern Seite die<br />
Bischöfe Anspruche auf die Burg Naudersberg und die damit verbundenen<br />
hohen Judikaturrechte machten - natürlich ohne sie durchsetzen zu können.<br />
Eher noch unklarer lagen infolge der widerstreitenden Ansprüche die<br />
Verhältnisse <strong>im</strong> Vinstgau (samt Münstertal). Das Flussgebiet der Etsch zerfiel<br />
in die zwei Gerichte Ob- und Untercalven, die indessen zu einem Hochgericht<br />
mit Mittelpunkt in M<strong>als</strong> vereinigt waren 611 . Innerhalb dieses Gebietes übte nun<br />
der <strong>Bischof</strong> die Immunitätsgerichtsbarkeit über seine Besitzungen, daneben<br />
aber auch hohe Judikaturrechte aus 612 . Zugleich steht aber fest, dass auch die<br />
Herzoge <strong>von</strong> Österreich gräfliche Rechte beanspruchten und durch ihre Pfleger<br />
in Nauders, Glurns und M<strong>als</strong> handhaben liessen 613 . Auf welche Weise sich die<br />
beiden Mächte in die hohe Judikatur teilten, lässt, sich nicht genau best<strong>im</strong>men.<br />
610 Planta, Currätische Herrschaften, 105.<br />
611 Muoth, Ämterbücher, 135.<br />
612 Muoth, Currätien in der Feudalzeit, 59.<br />
613 Planta, Currätische Herrschaften, 119.