1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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nichts <strong>von</strong> den für die Hörigen charakteristischen Abgaben und<br />
Beschränkungen der persönlichen Freiheit verlautet 536 .<br />
Den überwiegenden Teil der auf der <strong>Grundherr</strong>schaft überhaupt und den fast<br />
ausschliesslichen Teil der. <strong>im</strong> engem Umkreis der Fronhöfe angesiedelten<br />
Bevölkerung bildeten die Grundhörigen. Diese waren durchwegs gutsherrliche<br />
Hintersassen und zwar «glebae ad scripti», d. h. nicht freizügig. Aber auch der<br />
Herr durfte ihnen nicht ohne Grund das Gut, auf dem sie sassen, entziehen 537 .<br />
Für die Überlassung des Gutes leisteten die Hörigen gemessene Dienste (<strong>im</strong><br />
Gegensatz zu den servitia quotidiana der Leibeigenen) 538 oder genau fixierte<br />
Zinse 539 . Im Vinstgau bestand die Leistung einer best<strong>im</strong>mten Zahl <strong>von</strong> hörigen<br />
Hubern in der Aufgabe, zur Rechtssprechung zusammenzutreten, so oft der<br />
<strong>Bischof</strong> es wollte 540 . Diesen Pflichten der Huber entsprach, wie wir gesehen<br />
haben, mancherorts das Recht, durch Beteiligung an der Wahl der Meyer in der<br />
Verwaltung des Hofes mitzuwirken 541 . Das Recht des Heiratszwanges, den der<br />
<strong>Grundherr</strong> ursprünglich den Hörigen gegenüber hatte, verwandelte sich mit der<br />
Zeit in einen Anspruch auf eine Heiratssteuer, die manchmal auch nur <strong>von</strong> der<br />
Braut oder nur bei einer Ungenossen-Ehe entrichtet wurde 542 . Eine solche<br />
Ungenossen-Ehe, d. h. die Verehelichung mit einer nicht der gleichen<br />
Hofgenossenschaft angehörigen Person bedurfte besonderer Einwilligung des<br />
S. 139: Herrn. Umgehung dieser Vorschrift zog zwar nicht die Ungültigkeit der Ehe<br />
nach sich, wurde aber oft durch Auferlegung einer Busse oder Einziehung des<br />
Vermögens des Strafbaren seitens des Herrn geahndet 543 . Manchmal wurden<br />
zwischen verschiedenen Herrschaften Freizügigkeitsverträge abgeschlossen<br />
(sogenannte Raub- und Wechselverträge), wodurch Ungenossen-Ehen<br />
536 Planta, Currätische Herrschaften, 39.<br />
537 Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, 465.<br />
538 Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, 467.<br />
539 Planta, Currätische Herrschaften, 61, Muoth, Currätien in der Feudalzeit, 61.<br />
540 Mohr, Cod. dipl., 2, 122 ff.<br />
541 Muoth a. a. O. 57, 59.<br />
542 Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, 465.<br />
543 Die Best<strong>im</strong>mungen des St. Peter-Urbars der Gotteshausleute am Sept<strong>im</strong>er, wonach eine Weibsperson,<br />
welche nach auswärts heiratete und nicht mehr dem Gotteshause dienen wollte, ihr Vermögen verlor<br />
(Planta, Currätische Herrschaften, 61), bezieht sich wohl auch auf die Hörigen. Wenn Planta sie auf<br />
die Leibeigenen bezieht, so geschieht dies deshalb, weil er überhaupt nicht Leibeigene und Hörige<br />
streng unterscheidet, sondern den Ausdruck der Quellen «coloni» bald mit Kolonen (<strong>als</strong>o Hörigen),<br />
bald mit Leibeigenen übersetzt.<br />
Die Herren <strong>von</strong> Matsch bezogen <strong>als</strong> bischöfliche Vögte bei solchen Ungenossen-Ehen eine Busse <strong>von</strong><br />
20 Schilling.