1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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Stellung zu den Kirchen seiner Diözese <strong>im</strong> allgemeinen <strong>von</strong> der besondern<br />
Stellung, die er seinen grundherrlichen Kirchen gegenüber einn<strong>im</strong>mt? - Dieser<br />
Erörterung müssen wir eine kurze Geschichte des Eigenkirchenwesens <strong>im</strong><br />
Reich überhaupt<br />
S. 71: und in Rätien <strong>im</strong> besondern vorausgehen lassen. Es ergibt sich <strong>als</strong>o für das<br />
vorliegende Kapitel <strong>von</strong> selbst eine Teilung in zwei Abschnitte: Das<br />
Eigenkirchenwesen in den noch königlich-rätischen Besitzungen und dann<br />
seine Weiterentwicklung in der an den <strong>Bischof</strong> übergegangenen<br />
<strong>Grundherr</strong>schaft.<br />
Wir haben bereits <strong>im</strong> zweiten Kapitel die Entwicklung des kirchlichen<br />
Vermögensrechtes bis zum Eintritt der Eigenkirchenidee in die Kirche kurz<br />
skizziert. Wir können <strong>als</strong>o hier unsere Aufmerksamkeit direkt der letztern<br />
zuwenden.<br />
Als Ausgangspunkt des Eigenkirchenwesens ist wahrscheinlich. der<br />
germanische Tempel anzusehen 256 . Nicht nur in den Hainen unter der Leitung<br />
berufsmässiger Priester sondern auch <strong>im</strong> Hause unter der Leitung des<br />
Familienvaters <strong>als</strong> des Hauspriesters verehrten die Germanen ihre Götter. Mit<br />
zunehmender Ausdehnung des Haushaltes mochte die Kultusstätte in ein<br />
besonderes Gebäude verlegt werden. Dies betraf natürlich nur die wirtschaftlich<br />
Besserstehenden. Die andern aber nahmen in dem einen oder andern dieser<br />
besondern Tempel am Gottesdienst teil und leisteten dafür eine gewisse<br />
Spende. Aus dem Haustempel wurde dadurch ein Eigentempel. <strong>Der</strong> Hausherr<br />
erlangte über alle in seinem Tempel am Kultus teilnehmenden Genossen eine<br />
gewisse priesterliche Leitungsgewalt und verwendete die Spenden nach<br />
Belieben. Nicht nur kraft familienrechtlicher Munt sondern kraft eines<br />
sachenrechtlichen Verhältnisses, nämlich seines Eigentums am Eigentempel,<br />
übte nun der Herr des Tempels seine priesterlichen Befugnisse aus. <strong>Der</strong> Herr<br />
konnte das Priesteramt selbst ausüben oder durch einen andern auch einen<br />
Knecht - ausüben lassen, er konnte auch den Eigentempel zerfallen lassen.<br />
Daran hinderte ihn keine öffentliche Macht. Aber auch die Teilnehmer am<br />
Gottes-<br />
S. 72: dienst konnten sich <strong>von</strong> einem Tempel ab- und einem andern zuwenden.<br />
256 Stutz, Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 89 ff.