1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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S. 29: kung muss man annehmen, dass die 825 durch Ludwig den Frommen verfügte<br />
Restitution des Hofes Zizers 132 nie in Kraft getreten. Zwei (<strong>im</strong> bischöflichen<br />
Archiv zu <strong>Chur</strong> befindliche) Urkunden aus dem Jahre 976 (3. August und 28.<br />
Dezember) enthalten eine Bestätigung obiger Schenkung. Dies zeigt,<br />
vorausgesetzt, die beiden Urkunden seien echt, wie oft die deutschen Kaiser<br />
ohne viel Überlegung solche Gunstbezeugungen austeilten.<br />
Bedeutet die in der Königsurkunde vom Jahr 958 133 ausgesprochene Schenkung<br />
der «halben Stadt <strong>Chur</strong>», die schon zu zahlreichen Vermutungen Anlass<br />
gegeben, eine Zuwendung <strong>von</strong> Grundbesitz? Es heisst dort: «Quasdam res juris<br />
nostri in Rezia curiensi in comitatu Adalberti comitis in loco et civitate<br />
Curia..... contrad<strong>im</strong>us. Hoc est d<strong>im</strong>idiam partem ipsius civitatis, cum tali<br />
districtione et jure. Sicuti hactenus ad nos tram pertinebat postestatem et sicut<br />
homines ipsius totius provinciae censuales ac liberi debitores sunt. Cum<br />
aedificiis in muro et assiduis vigiliis et custodiis intus et foris. Et cum omni sua<br />
pertinentia in curtilibus et structuris....»<br />
Selbstverständlich konnte der König nicht nur Rechte abtreten, die bis anhin<br />
ihm selbst zugestanden (sicut hac tenus ad nostram pertinebat postestatem).<br />
Wäre es nun möglich, dass dem König mehr <strong>als</strong> die Hälfte des Grund und<br />
Bodens der Stadt mit den daraufstehenden Gebäuden <strong>als</strong> Eigentum zustand? Ich<br />
sage: mehr <strong>als</strong> die Hälfte. Denn ausser der «d<strong>im</strong>idia pars» schenkte er dem<br />
<strong>Bischof</strong> noch verschiedene Kirchen, und der Königshof blieb vorläufig noch <strong>im</strong><br />
königlichen Besitz, wie aus der Tauschurkunde <strong>von</strong> 960 hervorgeht 134 . Nach<br />
einer alten Theorie 135 könnte man hier mit der Terminologie <strong>von</strong> «civitas regia»<br />
S. 30: und «civitas publica» argumentieren und ausführen, dass in der Stadt <strong>Chur</strong>, da<br />
sie - allerdings nur in einer Privaturkunde 136 - «civitas publica» genannt werde,<br />
unmöglich soviel königliches Privateigentum sich finden konnte. Wir sind aber<br />
mit der herrschenden neuen Richtung nicht Anhänger dieser Theorie und sind<br />
ausserdem geneigt, den in Betracht kommenden Passus in der genannten <strong>Chur</strong>er<br />
Urkunde <strong>als</strong> nicht auf den rechtlichen Charakter der Stadt bezüglich<br />
132 Mohr, Cod. dipl., I, Nr. 19.<br />
133 Mohr, Cod. dipl., I, Nr. 53.<br />
134 Mohr, Cod. dipl., I, Nr. 56.<br />
135 Siehe Arnold, Verfassungsgeschichte, 16 ff.<br />
136 "acta curia in civitate publica" in <strong>Bischof</strong> Tellos Testament. Cod. dipl. I Nr. 9.