1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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oder Meyer. Dieses Hofsystem, wie es aus Tellos Testament zu erkennen ist,<br />
kommt nun auch bei den Franken und Longobarden schon frühzeitig vor. Wenn<br />
auch dort ein gewisser Zusammenhang mit römischen Wirtschaftsverhältnissen<br />
angenommen wird, indem besonders die auf deutsche Fürsten<br />
S. 37: übergegangenen römischen Krongüter in alter Weise weiter bewirtschaftet<br />
worden zu sein scheinen, dürfte mit Hinsicht auf das noch wenig germanisierte<br />
Rätien ein solcher Schluss recht nahe liegen 156 .<br />
Die neben den «curtes» vorkommenden «coloniae» lassen sich am ehesten<br />
erklären <strong>als</strong> selbständige, gewöhnlich 157 <strong>von</strong> Colonen bewirtschaftete<br />
Bauernhöfe, vergleichbar der deutschen Hube (mansus vestitus oder<br />
investitus 158 .<br />
Interessanten Aufschluss über die wirtschaftlichen Verhältnisse in Rätien gibt<br />
dann auch unser vielbesprochenes Urbar 159 . Neben den zahlreichen mit Zehnten<br />
und Sondergütern verzeichneten Kirchen 160 treffen wir wieder «curtes», die<br />
gewöhnlich an königliche Beamte verliehen wurden. Als Bestandteile dieser<br />
«curtes» findet man verzeichnet die terra dominica, d. h. das auf Rechnung des<br />
Herrn beziehungsweise des <strong>von</strong> ihm Beliehenen bewirtschaftete Ackerland<br />
(Herrschaftsgut), dessen Grösse in «iugera» oder nach der Kornmenge, die zum<br />
Ansäen notwendig ist, angegeben wird, die Anzahl der Colonen, manchmal die<br />
Zahl der Huben, dann die Wiesen (Ertrag in Fudern angegeben), Weinberge,<br />
Wälder, Alpen oder Alpanteile, Mühlen, Fischereirechte etc. Dass bei Wäldern<br />
auch hauptsächlich an die Weidenutzung gedacht wird, geht aus der öfters<br />
wiederkehrenden Wendung «silva ad porcos quinquaginta», «silva ad porcos<br />
c.» etc. hervor. Dann werden einige Komplexe Ackerland (de terra arabili<br />
iugera IX) zugleich mit dem Namen des Inhabers aufgeführt. Aus dem letzteren<br />
Umstande schliesse ich, dass es Freie waren, denen solche Güter in Pacht<br />
gegeben wurden.<br />
S. 38: Bald scheinen letztere in einem gewissen Zusammenhang mit einer «curtis» zu<br />
stehen 161 - vielleicht sind bloss die Zinse an diesen Hof abzuliefern, - bald fehlt<br />
ein solches Zusammengehörigkeitsverhältnis, wie bei den unter<br />
156 Planta, a. a. O. 296.<br />
157 Die eine der aufgeführten coloniae hat z.B. keinen colonus.<br />
158 Planta a. a. O. 297.<br />
159 Mohr, Cod. dipl., I, Nr. 193.<br />
160 Darüber siehe Näheres Kapitel 8.<br />
161 z.B. habet de hac curte (Schan) Saxo. De terra iugera IV, de pratis carratas LXXX usw.