1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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Direkte Nachrichten über dieses Eigentempelwesen sind uns für die heidnische<br />
Zeit nur aus Island erhalten 257 . Dass sich dasselbe auch in südgermanischen<br />
Gegenden ähnlich gestaltet hatte, geht gerade aus den in späterer Zeit dort<br />
herrschenden Verhältnissen hervor.<br />
Noch auf rein römischer Grundlage hatte sich <strong>im</strong> fränkischen Reich das<br />
selbständige Eigentum der Landkirchen und die Einrichtung der<br />
Priesterprecarien herausgebildet 258 . Auf germanischen Einfluss ist dagegen<br />
zurückzuführen das Bestreben der <strong>Grundherr</strong>en, ihre Priester selbst zu ernennen<br />
und der Disziplinargewalt des <strong>Bischof</strong>s zu entziehen. In der dem Nationalkonzil<br />
<strong>von</strong> 650 folgenden Periode des Verfalls der Landeskirche, in welcher in<br />
Austrasien fast ein Jahrhundert lang keine Synode mehr zusammentrat, konnte<br />
dann das Eigenkirchenwesen ungehindert und in entscheidender Weise Fuss<br />
fassen.<br />
Die juristische Natur des Verhältnisses zwischen <strong>Grundherr</strong> und seiner<br />
grundherrlichen Kirche lässt sich nach den Quellen folgendermassen<br />
schildern 259 : Diese Kirche ist <strong>im</strong> Gegensatz zur Kirche des römischen<br />
Kirchenrechts kein Rechtssubjekt sondern eine Sache. <strong>Der</strong> Altargrund, der bei<br />
der Weihe nicht tradiert wurde, sondern <strong>im</strong> Eigentum des <strong>Grundherr</strong>n verblieb,<br />
ist die Hauptsache. Pertinenzen sind der Kirchenbau mit seinem ganzen<br />
Kircheninventar, unbewegliches Gut, nutzbare Rechte und Einkünfte der<br />
Kirche. Das deutschrechtliche Zubehörungsverhältnis bringt es mit sich, dass<br />
die Pertinenzen nicht bloss <strong>im</strong> Fall der Veräusserungen der Hauptsache folgen,<br />
sondern dass sie ihrem Eigentümer nur durch die Haupt-<br />
S. 73: sache Dienst leisten und Frucht bringen. Aus dem Gesamtertrag muss der<br />
<strong>Grundherr</strong> erst den Bau unterhalten, einen Geistlichen besolden - wenn er nicht<br />
selbst das geistliche Gewand trägt - und die Kirche in den Stand setzen, auch<br />
ihren weitern Ausgaben nachzukommen. Den Überschuss erst darf er für sich<br />
verwenden. Das kirchliche Veräusserungsverbot wird in analoger Weise auf<br />
dieses durch die Eigenkirche dargestellte Sondervermögen des <strong>Grundherr</strong>n, das<br />
<strong>im</strong>merhin in erster Linie zu kirchlichen Zwecken dienen soll, angewendet.<br />
Infolgedessen ist das Pertinenzverhältnis ein unlösliches. Die Kirche darf nicht<br />
eingehen und ihr Vermögen nicht schwinden. <strong>Der</strong> <strong>Grundherr</strong> ist <strong>als</strong>o<br />
Eigentümer der Kirche. Es entspricht ganz der Natur des deutschrechtlichen<br />
257 Angegeben bei Stutz, Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 93 ff.<br />
258 Vergl. oben 2. Kapitel.<br />
259 Stutz, Die Eigenkirchen, 15 ff.