1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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Doppelstellung derselben eingeleitet wurde 9 .<br />
Das Gerichtswesen unter gotischer Herrschaft gestaltete sich folgendermassen:<br />
Streitigkeiten unter Goten sowie unter Goten und Römern wurden <strong>von</strong><br />
gotischen Richtern nach gotischem Recht entschieden - jedoch mit subsidiärer<br />
Geltung des römischen Rechtes, Streitigkeiten unter Römern <strong>von</strong> römischen<br />
Richtern nach römischem Recht. Wegen der verhältnismässig geringen Zahl der<br />
Goten kam indessen dem gotischen Gesetzbuch in Currätien keine grosse<br />
Bedeutung zu.<br />
S. 04: Bald nach Theodorichs Tod ging Rätien <strong>von</strong> den Ostgoten an die Franken über,<br />
und zwar nach gütlicher Übereinkunft, was für die Fortdauer der römischen<br />
Einrichtungen und des Freiheitsstandes der Bevölkerung <strong>von</strong> grosser<br />
Bedeutung sein musste. Auch die Franken standen dem römischen<br />
Rechtssystem nicht feindlich gegenüber. Es galt in den <strong>von</strong> ihnen<br />
unterworfenen Ländern nationales Recht 10 . Die fränkischen Reichsgesetze<br />
allerdings waren allen gegenüber wirksam 11 . Da zu dieser Zeit die Bevölkerung<br />
in Rätien noch ganz romanisch war 12 und auch noch aus weitern Gründen, auf<br />
die wir hier nicht weiter eintreten können, neigen wir auch zu der Ansicht<br />
Plantas, dass die römischen Provinzialeinrichtungen noch bis zur Regierung<br />
Karls des Grossen in Rätien Geltung besassen 13 .<br />
Ebenso glauben wir aus den auf die Victoriden bezüglichen, allerdings nur<br />
dürftigen Schriftdenkmälern dieser Zeit - sie bestehen einzig in Grabschriften<br />
aus dem Kloster St. Luzi und <strong>Bischof</strong> Tellos Testament 14 - mit Planta und<br />
andern 15 entnehmen zu können, dass einzelne Glieder der in jener Zeit in Rätien<br />
eine grosse Rolle spielenden Familie der sogenannten Victoriden die<br />
bischöfliche und die Präseswürde in einer Person vereinigten. Dies ist für uns<br />
wichtig, mag man nun <strong>im</strong> übrigen dieser oder jener Konstruktion der<br />
Victoridengenealogie folgen oder auch überhaupt die Bezeichnung<br />
«Victoriden» <strong>als</strong> ganz ungerechtfertigt hinstellen 16 . Denn einmal darf aus dem<br />
9 Planta a. a. O. 253.<br />
10 Brunner, Deutsche Rechtsgeschichte, I § 34.<br />
11 Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, 254.<br />
12 Mommsen 3 ff.,<br />
13 Diese Ansicht wird auch vertreten <strong>von</strong> Juwalt, Forsch., 73 ff., Ganzoni, Vortrag, 95 ff., Jecklin,<br />
Vortrag, 21 ff., Ströbele, Beiträge, 11, Stutz, Geschichte des kirchlichen Benefizialwesens, 159, Anm.<br />
37, Mutzner 52.<br />
14 Mohr, Cod. dipl., I, Nr. 9,<br />
15 Juwalt 74, Stutz 159, Anm. 37, Ströbele 15 u. a. m., dagegen: Zeumer 12 ff.<br />
16 Ströbele 11 ff.