1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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Abhängigkeitsverhältnisses der Unfreien vom Herrn auch wichtige richterliche<br />
Befugnisse. Die ursprünglich<br />
S. 50: dem Herrn zustehende volle Gewalt über den Sklaven, mit der aber auch die<br />
volle Verantwortlichkeit für Handlungen desselben nach aussen verbunden war,<br />
wurde allerdings <strong>im</strong> Frankenreiche abgeschwächt, indem die ausser der<br />
Herrschaft <strong>von</strong> Unfreien begangenen schweren Verbrechen vor dem<br />
öffentlichen Gericht behandelt werden mussten und auch für das Verfahren vor<br />
dem herrschaftlichen Gericht ein Prozess- und Strafrecht vom Staat aufgestellt<br />
wurde 190 . Doch erledigte das Gericht der Herrschaft alle in ihrem Bereich<br />
vorgefallenen Strafsachen der servi, übte <strong>als</strong>o nicht nur Niedergerichtsbarkeit.<br />
Als freiwillig gewähltes Forum nahm es auch Klagen Auswärtiger entgegen.<br />
Später n<strong>im</strong>mt der Staat den servus dem Herrn gegenüber noch mehr in Schutz.<br />
Letzterer hat nicht mehr Gewalt über das Leben seiner Unfreien. Über diese<br />
Unfreien kann bloss ein mit dem Königsbann beliehener Kr<strong>im</strong>inalrichter<br />
schwere Strafen verhängen. Placita publica und Placita generalia werden auch<br />
für die Unfreien gehalten. Diese Grundsätze müssen in der Hauptsache auch in<br />
Rätien Geltung besessen haben.<br />
Aber auch gegenüber Freien, die sich in das mundium 191 eines Grossen<br />
begeben, n<strong>im</strong>mt kraft dieses persönlichen Schutzverhältnisses der Herr in<br />
Gerichtssachen eine besondere Stellung ein. Die Mundleute des Königs dürfen<br />
ihre Rechtssachen bis vor den König bringen. Private Mundleute werden <strong>von</strong><br />
ihrem Herrn vor Gericht vertreten. Oft wurde nicht mir die Person dieser<br />
Mundleute sondern auch ihr Gut in das Schutzverhältnis einbezogen.<br />
Die Beziehungen zwischen dem Fürstbischof <strong>von</strong> <strong>Chur</strong> und seinen Mundleuten<br />
mögen nun eher dem Verhältnis des Königs zu seinen Mundleuten entsprochen<br />
haben <strong>als</strong><br />
S. 51: demjenigen eines privaten Mundherrn zu seinen Leuten. Denn der <strong>Bischof</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>Chur</strong> war eben auch Inhaber der öffentlichen Gewalt in Rätien. Und wirklich ist<br />
aus der lex romana curiensis, deren Geltung für Rätien wir bereits festgestellt<br />
haben, zu ersehen, dass Klagen gegen Vasallen des <strong>Bischof</strong>s <strong>von</strong> diesem selbst<br />
erledigt wurden 192 . Dass auch dingliche Abhängigkeit Freier <strong>von</strong> einem Herrn<br />
gerichtliche Abhängigkeit zur Folge hatte, erhellt erst aus spätern Urkunden.<br />
190 Seliger a. a. O. 62 ff.<br />
191 Das fränkische Mundium ist entstanden aus einer Verschmelzung der germanischen Munt und des<br />
gallo-römischen Klientelverhältnisses.<br />
192 Lex romana curiensis II, I, 2.