1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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Bedeutung. Die gleiche Stellung <strong>als</strong> «Fürstbischof» hatte wohl auch noch<br />
Remedius inne.<br />
Dann aber tritt in den Verhältnissen Rätiens eine bedeutsame Änderung ein. In<br />
der Teilung des fränkischen Reiches nach Karls des Grossen Tod (<strong>im</strong> Jahr 806)<br />
erscheint nämlich Rätien <strong>als</strong> Herzogtum (Ducatus) 30 . Damit war die weltliche<br />
Herrschaft dem <strong>Bischof</strong> abgenommen, wie auch die später zu erwähnende<br />
Bittschrift <strong>Bischof</strong> Victors beweist, und einem Herzog übertragen. Das<br />
Herzogtum zerfiel aber in die Grafschaften Unterrätien oder Curwalchen und<br />
Oberrätien oder Grafschaft <strong>Chur</strong> mit der Landquart <strong>als</strong> Grenze 31 . Zu gleicher<br />
Zeit wurden wahrscheinlich das Unterengadin und der Vinstgau abgetrennt und<br />
unter einen eigenen Grafen gestellt, kirchlich aber mit der Diözese <strong>Chur</strong><br />
vereinigt belassen. <strong>Der</strong> jeweilige Herzog war gewöhnlich auch Graf in einer der<br />
S. 08: beiden Grafschaften, gewöhnlich in Unterrätien. Neben dieser neu eingeführten<br />
Gauverfassung blieb aber das römische Privatrecht für die Romanen bestehen.<br />
Dies erhellt aus einer Gerichtssitzung vom Jahr 807 32 , welche <strong>von</strong> Hunfrid<br />
geleitet wurde, der sehr wahrscheinlich vorübergehend zugleich Herzog und<br />
Graf der beiden Rätien war 33 . Im Jahr 821 ist dann aber Roderich an der Spitze<br />
Oberrätiens zu treffen. In diesem Jahr beklagt sich nämlich <strong>Bischof</strong> Victor II.<br />
<strong>von</strong> <strong>Chur</strong> in einer an Ludwig den Frommen gerichteten Bittschrift 34 über den<br />
Raub, den Roderich und sein Genosse Herloin nach jener «divisio inter<br />
episcopatum et comitatum» (Trennung der bischöflichen und gräflichen<br />
Gewalt) an ihm (dem <strong>Bischof</strong>) verübt und der hauptsächlich in der Entziehung<br />
<strong>von</strong> Kirchen und Klöstern bestand. Es ist leicht begreiflich, dass bei der<br />
Auseinandersetzung <strong>von</strong> Bistum und Grafschaft Streitigkeiten über<br />
Besitzungen, besonders auch über das Eigentum an Kirchen und Klöstern,<br />
vorkommen konnten, und es ist meines Erachtens gar kein Grund vorhanden, in<br />
diesem Vorkommnis eine jener Säkularisationen sehen zu wollen, wie sie unter<br />
Karl Martell zuerst vorgenommen wurden, es sei denn, dass man eben die<br />
Ansicht vertritt, der <strong>Bischof</strong> habe auch vor der Gaueinteilung nicht die Zügel<br />
der weltlichen Herrschaft in Rätien in seinen Händen gehabt 35 . Unzutreffend<br />
30 Mohr, Cod. dipl., I, Nr. 153.<br />
31 Planta a. a. O. 357 ff., Juwalt 93-99.<br />
32 Planta a. a. O. 355, Anm. 1.<br />
33 Planta a. a. O. 359.<br />
34 Mohr, Cod. dipl., I, Nr. 15.<br />
35 Zeumer 12 ff.