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1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter

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Ausbildung. Die Ausdrücke «precarium», «precaria», «precatoria», «precatus»<br />

usw. sind identisch 171 , sie bedeuten die Bitte um Verleihung eines Gutes zu<br />

Niessbrauch und <strong>im</strong> besondern die dabei ausgestellte Bitturkunde. Die üblich<br />

gewordene fünf jährige Erneuerung der Bitturkunde deutet nicht etwa darauf<br />

hin, dass das Precarium <strong>als</strong> ein gerade fünf Jahre geltender Vertrag anzusehen<br />

sei, sondern soll bloss nachdrücklich die Rechte des Herrn schützen 172 . Die <strong>im</strong><br />

Vertrag vorgesehene Dauer der Leihe ist verschieden. Seiten wird der dem<br />

Beliehenen ungünstige Grundsatz des römischen Rechts angewendet. Das<br />

gewöhnliche ist die Leihe auf Lebenszeit, wie wir sie auch bei der Precaria der<br />

Frau Waltrada getroffen haben. Dann wird aber oft die Dauer der Leihe auch<br />

auf die nächsten Erben ausgedehnt, sei es nach einer in den Vertrag<br />

aufgenommenen dahin lautenden Klausel, sei es ohne solche, und <strong>im</strong> Lauf der<br />

Zeit macht die Erblichkeit weitere Fortschritte, wie besonders aus den St. Galler<br />

Urkunden hervorgeht 173 . Die Gegenleistung kann bestehen in einem Zins<br />

(census), zu dem auch persönliche Dienste (opus) hinzukommen können.<br />

Dieser Zins wird besonders dann zu einem Rekognitionszins werden oder ganz<br />

wegfallen, wenn der Precarist sein durch vorausgegangene Tradition<br />

hingegebenes Gut zur Leihe wieder erhält (precaria oblata) oder an Stelle<br />

desselben mit andern Gütern beliehen wird, wie das in unserer Urkunde vom<br />

Jahr 857 der Fall ist.<br />

S. 43: Bei Unterlassung der festgesetzten Abgaben tritt entweder Entziehung des<br />

Gutes ein, oder es wird Bürgschaft gefordert, je nach dem Wortlaut des<br />

Vertrages. Das durch die Precaria geschaffene Leiheverhältnis ist ein freies,<br />

d.h. es beeinflusst <strong>im</strong> allgemeinen nicht den Stand des Beliehenen. Und der<br />

Beliehene kann jederzeit vom Vertrag zurücktreten. Das allen<br />

Precarienverträgen gemeinsame ist <strong>als</strong>o <strong>im</strong> Anfang blass die Bitturkunde 174 .<br />

Indem in der Folge hauptsächlich, wenn auch nicht ausschliesslich, die Kirche<br />

sich der Precarienleihe bedient, und der Satz, dass Kirchengut nur nach einer<br />

Gegengabe ausgeliehen werden dürfe, <strong>im</strong>mer mehr Geltung erlangt, wird dann<br />

aber <strong>im</strong> IX. Jahrhundert die vorausgegangene Tradition zum Charakteristikum<br />

der Precarienleihe 175 . In der dem IX: Jahrhundert folgenden Entwicklung ist<br />

171 Seeliger a. a. O. 13.<br />

172 Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, 299.<br />

173 Caro a. a. O. 244 ff.<br />

174 Seeliger a. a. O. 21.<br />

175 Da<strong>von</strong> ausgenommen sind eine Zeitlang noch die precaria verbo regis, nachher erscheinen königliche<br />

Verfügungen über Kirchengut nicht mehr <strong>als</strong> «precarien», siehe Seeliger a. a. O. 47.

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