1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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Wechselbeziehungen zu einzelnen andern Faktoren dieses Staates<br />
nachforschen.<br />
So ist es unsere erste Aufgabe, uns ein Bild vom Gesamtcharakter dieses<br />
feudalen Staatsgebildes zu machen. Zwei Momente sind für dasselbe besonders<br />
charakteristisch: Das bunte Konglomerat der in der Hand des Landesherrn lose<br />
vereinigten Rechte und die Institution des Lehenswesens. Befassen wir uns<br />
zunächst mit dem ersten Punkt. Wir haben gesehen, wie <strong>im</strong> Laufe der<br />
Jahrhunderte, einerseits die gräflichen Rechte auf den <strong>Bischof</strong> übergingen,<br />
anderseits auch ein königliches Hoheitsrecht nach dem andern ihm übertragen<br />
wurde. So erlangte der <strong>Bischof</strong> die Landeshoheit über die ehemalige Cent <strong>Chur</strong>,<br />
das halbe Domleschg, Schams, Rheinwald, Oberhalbstein, Oberengadin,<br />
Bergell, Vinstgau, Münstertal und Poschiavo. Diese Landeshoheit war aber<br />
eben kein best<strong>im</strong>mter Begriff. <strong>Der</strong> <strong>Bischof</strong> übte in den verschiedenen<br />
T<strong>als</strong>chaften nicht gleichförmige Rechte aus, und er übte diese Rechte ganz<br />
besonders nicht auf Grund der freien Rechtstitel aus. <strong>Der</strong> <strong>Bischof</strong> <strong>als</strong> fürstlicher<br />
Landesherr war Inhaber der Gerichtsbarkeit. Besonders die hohe<br />
Gerichtsbarkeit ist das Merkmal der Landeshoheit 343 . Er hatte das Recht des<br />
Aufgebotes zum<br />
S. 97: Heer- und Wachtdienst. Er hatte ansehnliche eigene Besitzungen (<strong>als</strong><br />
<strong>Grundherr</strong>) 344 . Er bezog sämtliche in Form regelmässiger Steuern entrichteten<br />
Fiskaleinkünfte in Oberrätien, darunter besonders den Hofstattzins <strong>von</strong> <strong>Chur</strong>. Er<br />
hatte die Aufsicht über Polizei, Mass und Gewicht. Er hatte das Recht der<br />
Münzprägung, das Bergregal, den Wildbann und die Fischerei. Er hatte endlich<br />
die Befugnis, best<strong>im</strong>mte Märkte abzuhalten, den Marktzoll und das Umgeld in<br />
<strong>Chur</strong> zu erheben, die Passierzölle und das Geleitsrecht mit den damit<br />
verbundenen Einnahmen.<br />
Zu einzelnen dieser Rechte haben wir nun noch besondere Bemerkungen zu<br />
machen.<br />
Was die Gerichtsbarkeit betrifft, so war sie für gewisse Bannbezirke in vollem<br />
Masse direkt <strong>von</strong> den Grafen auf den <strong>Bischof</strong> übergegangen. In andern<br />
Gebieten hatte der <strong>Bischof</strong> bloss die aus der <strong>Grundherr</strong>schaft resultierende<br />
343 Schröder, Deutsche Rechtsgeschichte, 601.<br />
344 Die Landeshoheit setzt nicht unbedingt eine ansehnliche <strong>Grundherr</strong>schaft voraus. Es ist <strong>im</strong> Gegenteil<br />
sehr wohl möglich, dass der Landesherr in dem unter seiner Landeshoheit stehenden Gebiet nur<br />
kleine Besitzungen hat.