1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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geschah es ohne ausdrücklichen Hinweis auf Zustande, die bereits den<br />
beginnenden Verfall der alten Ordnung bedeuteten.<br />
Dies soll nun zu Anfang dieses Kapitels geschehen, welches die Skizzierung<br />
der bischöflichen feudalen <strong>Grundherr</strong>schaft in ihrer absteigenden Entwicklung,<br />
die einen Abschluss in den sogenannten Ilanzer Artikelbriefen <strong>von</strong> 1524 und<br />
1526 findet 655 , vornehmen will.<br />
Als Vorboten eines neuen Zeitalters sind zu betrachten das gegen das 15.<br />
Jahrhundert zu <strong>im</strong>mer zunehmende Freiwerden der Bevölkerung und das<br />
Aufkommen der Gerichtsgemeinden 656 .<br />
S. 166: Zu dem ersten Umstand trug viel der Einfluss der W<strong>als</strong>erbevölkerung bei.<br />
Dieses Freiwerden äusserte sich zunächst durch die Radizierung <strong>von</strong><br />
Leibsteuer, Fastnachthuhn und Todfall auf die betreffenden Güter 657 . Dadurch<br />
verwandelten sich die persönlichen Abgaben in Reallasten. <strong>Der</strong> Zusammenhang<br />
zwischen dem Hörigen und der Scholle löste sich allmählich, indem dem ohne<br />
Bewilligung Wegziehenden nicht mehr «nachgejagt» wurde, sondern bloss<br />
He<strong>im</strong>fall des Gutes an die Herrschaft eintrat. Das dingliche Recht des Hörigen<br />
am Gut wurde <strong>im</strong>mer mehr betont.<br />
Ehe und Erbrecht wurden den Unfreien zuerkannt, die Fronden wurden<br />
beschränkt und durch eine Verköstigung gelöhnt.<br />
Dass dieses Zunehmen der persönlichen Freiheit auf Seite der Hintersassen<br />
anderseits ein Abnehmen der Rechte des <strong>Grundherr</strong>n über seine Leute zur Folge<br />
hatte, liegt auf der Hand.<br />
Den Kern der Gerichtsgemeinde haben wir in dem zuerst unverbindlichen, dann<br />
verbindlichen - Vorschlagsrecht der Bevölkerung zur Bestellung der Gerichte<br />
bereits kennen gelernt 658 . <strong>Der</strong>jenige Teil der Bevölkerung, der unter dem Stabe<br />
des gleichen Vogtes vereinigt war, bildete eine Gerichtsgemeinde. Für die hohe<br />
Judikatur wurden oft einige Gerichtsgemeinden zu einem Verband<br />
verschmolzen, mit dem oft auch eine ökonomische Korporation zusammenfiel,<br />
ein Moment, welches zur Stärkung dieser Gebilde sehr beitragen mochte.<br />
Allmählich gewannen diese Gerichtsgemeinden auch das Recht, bei der Wahl<br />
der Blutrichter, hiessen sie nun Vogt oder Ammann, mitzuwirken. Dadurch<br />
655 Jecklin, Cod. dipl., 5 78 ff. und 89 ff.<br />
656 Planta, Geschichte Graubündens, 95 und 97.<br />
657 Siehe oben S. 141.<br />
658 Siehe oben S. 126.