1910-Der Bischof von Chur als Grundherr im Mittelalter
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Auf den Charakter der Eigenkirche <strong>als</strong> reines Vermögensobjekt deutet neben<br />
der ganzen Fassung des Urbars auch besonders eine Stelle hin, welche unter<br />
den übrigen königlichen Rechten einen Teil einer Kirche mit Zubehörden<br />
registriert.<br />
Neben diesen <strong>im</strong> Urbar verzeichneten königlichen Eigenkirchen gab es in<br />
Rätien auch solche Eigenkirchen, deren Eigentum Laien 265 und Klöstern 266<br />
zustand. In jener Zeit bestand noch kein spirituelles Verhältnis zwischen den<br />
Klöstern und ihren Kirchen 267 . Die Inkorporation ist erst ein Kind des<br />
Eigenkirchenwesens. Die fränkischen Klöster dieser Zeit übten über ihre<br />
Mauern hinaus keine seelsorgerische Tätigkeit. Die Klosterkirche war nur zur<br />
Befrie-<br />
S. 78: digung der religiösen Bedürfnisse der Konventualen da.<br />
Die ausser den Klostermauern stehenden klösterlichen Kirchen waren mit dem<br />
Kloster durch das gleiche Band verbunden, das auch die Eigenkirchen der<br />
Laien mit ihrem Eigentümer verband: eben durch das Eigentum. Sie bildeten<br />
nicht Aussenstationen einer. klösterlichen Missionstätigkeit, sondern waren<br />
einfach kostbare Vermögensobjekte.<br />
Die nächsten Urkunden, in denen die Bedeutung der Eigenkirchen in Rätien<br />
wieder hervortritt, sind die Bittschriften Victors II. 268 , welcher gegen die<br />
anlässlich der Trennung <strong>von</strong> Grafschaft und bischöflicher Gewalt erfolgte<br />
«Beraubung» des Bistums <strong>Chur</strong> protestiert. Darin sagt der <strong>Bischof</strong> unter<br />
anderem: «Distructa domus et depraecata est sancta curiensis ecclesia... quae<br />
distructio vel preda post illam divisionem, quam bonae memoriae genitor vester<br />
inter episcopatum et comitatum fieri praecepit et nos longo tempo re ab ipso<br />
fu<strong>im</strong>us vestiti, subito a Roderico et suo pravo sodo Herloino post acceptum<br />
comitatum facta est et ad huc permanet... ducentae siquidem XXX et eo<br />
amplius ecclesiae sunt infra parrochia nostra, ex quibus non amplius quam sex<br />
baptisteria et XXV minores tituli ad episcopatum remanserunt et ipse male<br />
depraedate.»<br />
265 Wartmann 2 353, Stutz, Benefizialwesen, 162, Anm. 50.<br />
266 In Rätien gab es um diese Zeit folgende Klöster: Das Frauenkloster Kazis, gegründet gegen Ende des<br />
7. Jahrhunderts, das Kloster Disentis, gegründet 614, das Kloster Pfäffers, gegründet in der Mitte des<br />
8. Jahrhunderts, das Kloster Schännis, vielleicht auch noch das Kloster St. Luzius bei <strong>Chur</strong> (später<br />
kamen noch dazu das Kloster Taufers, <strong>Chur</strong>walden und Müstail oder Wapitines bei Tiefenkasten),<br />
aber auch auswärtige Klöster, wie z.B. St. Gallen, besassen Eigenkirchen in Rätien.<br />
267 Stutz, Benefizialwesen, 166 ff.<br />
268 Cod. dipl. 1 Nr. 15--17.