Ergebnisbericht 2010/11 - Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
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WISSENSCHAFTLICHER ERGEBNISBERICHT | Infektion und Immunität | Strategien <strong>für</strong> Prävention und Therapie 105<br />
04.4 Chronische Infektion und Krebs<br />
PROJEKTLEITER | Prof. Dr. Lars Zender | Nachwuchsgruppe Chronische Infektionen und Krebs |<br />
lze08@helmholtz-hzi.de<br />
PROJEKTMITARBEITER | Dr. Tae-Won Kang | Dr. Michelle Stange | Dr. Torsten Wüstefeld | Dr. Tetyana Yevsa |<br />
Daniel Dauch | Florian Heinzmann | Lisa Hönicke | Anja Hohmeyer | Nils Jedicke | Marina Pesic | Ramona Rudalska<br />
Leberkrebs (Hepatozelluläres Karzinom, HCC) ist eine der<br />
häufi gsten und tödlichsten Krebsarten weltweit. Pro Jahr<br />
kommen mehr als 700.000 neuen Fällen hinzu, von denen<br />
50.000 in Europa auftreten.<br />
Zur Erforschung der molekularen Mechanismen von Leberschäden,<br />
Leberregeneration und Leberkrebs wählen wir<br />
funktionelle genomische Ansätze. Dabei machen wir uns<br />
den natürlichen Prozess der RNA-Interferenz (RNAi) zunutze.<br />
In den letzten Jahren haben wir die Mikro-RNA basierte<br />
shRNA-Technologie so weit entwickelt und verfeinert, dass<br />
sowohl die stabile als auch die reversible RNAi-vermittelte<br />
Inhibition aller endogenen Gene, die in kultivierten Zellen<br />
und Leberregenerations- und Leberkrebs-Mausmodellen<br />
vorkommen, ermöglicht wird. Die Nutzung von induzierbarer<br />
RNAi ermöglicht uns die Einwirkung von Genprodukten<br />
auf regenerierende Lebern und wachsende Tumoren von<br />
Mäusen sowohl auf dem Einzelgen-Level als auch durch<br />
aggregiertes Multigen-Screening. Retro- und lentivirale<br />
shRNA-Bibliotheken auf Genomebene, die das Genom von<br />
Säugern und Menschen beschreiben, werden <strong>für</strong> Screens<br />
genutzt, um neue Therapeutika in der regenerativen Medizin<br />
und hepatobiliären Onkologie zu identifi zieren.<br />
1. Translationale regenerative Medizin und Zielstrukturen<br />
beim Leberzellkarzinom Die Leber hat eine enorme Regenerationsfähigkeit<br />
nach durch Toxine und Infektionen verursachten<br />
Gewebeschäden. Es ist einzigartig, dass differenzierte<br />
Hepatozyten, die normalerweise in der Go-Phase des<br />
Zellzyklus angesiedelt sind, nach dem Leberschaden wieder<br />
in den Zellzyklus eintreten können und neue Hepatozyten<br />
erzeugen. Bei chronischem Leberschaden allerdings kommt<br />
es zu einer Überforderung der regenerativen Kapazität<br />
der Hepatozyten, die nur partiell durch einen Stammzellbereich<br />
kompensiert werden kann. Die Konsequenz ist eine<br />
chronische Leberinsuffi zienz, eines der größten Gesundheitsprobleme<br />
weltweit.<br />
Wir haben ein einzigartiges System etabliert, mit dem wir<br />
in vivo RNAi-Screens durchführen, um positive und negative<br />
Regulatoren der Hepatozyten-Vermehrung während<br />
einer chronischen Lebererkrankung zu identifi zieren. In<br />
einem kürzlich beendeten in vivo RNAi-Screen haben wir<br />
eine doppelt spezifi sche Proteinkinase ermittelt, die <strong>für</strong> die<br />
hepatische regenerative Medizin sehr vielversprechend ist.<br />
Die funktionelle Charakterisierung hat gezeigt, dass der<br />
Knockdown durch verschiedene shRNAs in einem Mausmodell<br />
<strong>für</strong> chronische Leberinfektion zu einer mehr als<br />
tausendfach erhöhten Hepatozyten-Proliferationskapazität<br />
geführt hat. Folge war eine außerordentlich erhöhte Überlebensrate.<br />
Zurzeit arbeiten wir daran, die erhaltenen genetischen<br />
Informationen in neue pharmakologische Strategien<br />
<strong>für</strong> die hepatische regenerative Medizin umzusetzen.<br />
2. Translationale Onkologie, „Mosaic Cancer Mouse<br />
Modeling“, in vivo RNA und Identifi zierung neuer innovativer<br />
Therapeutika bei Leberkrebs Tumorgenetik kann<br />
die Anwendung bestimmter therapeutischer Strategien<br />
steuern und das Ergebnis der Behandlung voraussagen.<br />
Durch die Kombination von in vivo RNAi-Technologie mit<br />
leistungsstarken „Mosaic Liver Cancer Mouse Model“-<br />
Systemen haben wir große Fortschritte bei der Lokalisierung<br />
neuer Krebsgene und Tumorsuppresionsnetzwerke in<br />
hapatozellulären Karzinomen (HCC) gemacht. Zusätzlich zu<br />
in vivo-Einzeluntersuchungen von Tumorsuppressor genen<br />
haben wir in vivo-Screens durchgeführt, um diesen Ansatz<br />
zu multiplizieren. Kürzlich haben wir den ersten in vivo<br />
RNAi-Screen durchgeführt, in dem mehr als 10 neue<br />
Tumorsuppressorgene in HCC identifi ziert wurden.<br />
Laufende Projekte untersuchen die genetische Anfälligkeit<br />
<strong>für</strong> hepatobiläre Malignome. Dieser Ansatz basiert auf dem<br />
Konzept der „Synthetischen Letalität“, das davon ausgeht,<br />
dass Tumorzellen durch ihre kumulierten genetischen<br />
Modi fi zierungen Schwachstellen erwerben, die neue therapeutische<br />
Interventionen ermöglichen. Mehrere vertrauenerweckende<br />
Zielstrukturen wurden identifi ziert, und<br />
zurzeit versuchen wir, diese in neue Behandlungsstrategien<br />
umzusetzen.<br />
Dr. Torsten Wüstefeld (li) und Florian Heinzmann (re)<br />
disku tieren Ergebnisse eines Experiments. Links von ihnen:<br />
Dr. Tetyana Yevsa, rechts: Ramona Rudalska. Foto: HZI<br />
Zender, L., Xue, W., Zuber, J., Semighini, C.P., Krasnitz, A., Ma, B., Zender, P., Kubicka, S.,<br />
Luk, J.M., Schirmacher, P., McCombie, W.R., Wigler, M., Hicks, J., Hannon, G.J., Powers,<br />
S. & Lowe, S.W. (2008) An oncogenomics-based in vivo RNAi screen identifi es tumor<br />
suppressors in liver cancer. Cell 135(5), 852-64.<br />
Xue, W., Zender, L., Miething, C., Dickins, R.A., Hernando, E., Krizhanovsky, V.,<br />
Cordon-Cardo, C. & Lowe, S.W. (2007) Senescence and tumour clearance is triggered by<br />
p53 restoration in murine liver carcinomas. Nature 445(7128), 656-60.<br />
Zender, L., Spector, M.S., Xue, W., Flemming, P., Cordon-Cardo, C., Silke, J., Fan, S.T.,<br />
Luk, J.M., Wigler, M., Hannon, G.J., Mu, D., Lucito, R., Powers, S. & Lowe, S.W. (2007)<br />
Identifi cation and validation of oncogenes in liver cancer using an integrative oncogenomic<br />
approach. Cell 125(7), 1253-67.