58 SONDERBEITRÄGE | Magnetische Kernresonanzspektroskopie, ein wichtiges Instrument im Arsenal der Technologieplattform ansetzt. Diese Struktur wird dann an die endgültige Helix (α3) gekoppelt, die nur schwache Wechselwirkungen mit der Membran aufweist. Eine derartige Struktur ist mit der Ionenkanalaktivität des N-Terminus, der Wechselwirkung des C-Terminus mit der zytoplasmatischen Domain von CD4 sowie mit den Anforderungen der phosphorylierten Vpu <strong>für</strong> diese Funktion kompatibel. Ähnliche Untersuchungen lieferten Erkenntnisse über die Struktur des HIV-1-Sekundärhilfsproteins Vpr wobei erst vor kurzem die ungewöhnliche Wechselwirkung mit einem Hostprotein, dem Zyklophilin A, bekannt geworden ist. aktive Stelle aktive Stelle Große Proteine und Röntgenkompatibilität Es stellt sich hier die Frage, inwiefern es mit Hilfe der NMR-Spektroskopie möglich ist, Strukturdaten auch <strong>für</strong> größere Proteine zu gewinnen. Und ob die in Lösung ermittelten Strukturen auch mit denen kompatibel sind, die durch den Einsatz der Festkörper-Röntgenkristallographie ermittelt wurden. Grundsätzlich können beide Fragen mit „Ja“ beantwortet werden. Forschungslaboratorien, wie beispielsweise die Proteinproben-Produktionsanlage am HZI, können heute unter Verwendung rekombinanter Verfahren doppelt markierte 15 N, 13 C-Proteine herstellen, die <strong>für</strong> eine mehr- Abb. 8. Vergleich der NMR- und Röntgenbilder des Tryparedoxin (A & B), Oberfl ächenmodell, das die Ligandenbindungsstellen zeigt (C & D)
SONDERBEITRÄGE | Magnetische Kernresonanzspektroskopie, ein wichtiges Instrument im Arsenal der Technologieplattform dimensionale, heteronukleare NMR-Untersuchung in Lösung geeignet sind. Ein herausragendes Beispiel ist die Erforschung des Tryparedoxin, eines Virulenzfaktors, der in Trypanosomatiden vorkommt und der Auslöser der Trypanosmiase (Schlafkrankheit und Morbus Chagas) und der Leishmaniase ist. Die Gesamtfaltung der Struktur, die mit Hilfe der dreidimensionalen NMR-Spektroskopie ermittelt wurde, ähnelt in großem Maße dem Aufbau der Kristallstruktur, obwohl die Regionen im Bereich der aktiven Seite in Lösung weniger gut ausgeprägt waren (Abbildung 8, A und B). Wenn die Erforschung der Struktur die einzige Zielstellung des Projektes war, wäre verständlicherweise die Röntgenkristallographie die bevorzugte Methode. Mit der NMR konnte jedoch die Bindung des inhibitorischen Substratanalogons problemlos untersucht und schwer zugängliche Bereiche auf der Proteinoberfl äche mit einer funktionalen Relevanz enthüllt werden (Abbildung 8, C und D), die einen Bezugsrahmen <strong>für</strong> die Konzeption von starreren und aktiveren Liganden bilden. Ausblick Auf unabsehbare Zeit werden die Plattformtechnologien intensiv genutzt werden. Das wird auch durch die in der letzten Zeit vorgenommenen größeren Investitionen in neue Geräte unterstützt. Diese neue Technik wird <strong>für</strong> Untersuchungen am neuen Wirkstoffzentrum von großer Bedeutung sein, das sich zur Zeit in der Planungsphase befi ndet. Die vielschichtigen Aspekte bei der Erforschung der Strukturen altbekannter und neuer Naturstoffe aller Art werden auch weiterhin ein Hauptgebiet in der <strong>Infektionsforschung</strong> sein, wie die aktuelle Forschungsinitiative des HZI zeigt. Die weitere Verbesserung der Technologie, insbesondere der unmittelbaren Verfügbarkeit von ultra-hochfrequenten Magnetfeldern (≥ 1 GHz), eröffnet neue Möglichkeiten <strong>für</strong> die Untersuchung noch größerer Systeme, wie z.B. biomakromolekularer Verbindungen von höchster Komplexität und biomedizinischer Bedeutung mit Hilfe der NMR-Techniken, die die Röntgenuntersuchungen ergänzen. Es ist zweifellos ein weiteres wichtiges Forschungsgebiet, mit dem auch künftig maßgeblich unser Wissens über makromolekulare Strukturen und deren Wechselwirkungen in der modernen Biologie und Biomedizin bereichert wird. 59 Victor Wray wurde 1945 geboren und studierte Chemie an der Universität Hull, wo er 1966 den Abschluss „Bachelor of Science“ machte und 1969 den Doktortitel in Chemie erhielt. Danach arbeitete er als promovierter Wissenschaftler an der Abteilung Organische Chemie am Imperial College in London (1969-1973). Dann nahm er seine Tätigkeit in der Arbeitsgruppe <strong>für</strong> physikalische Messungen am <strong>Zentrum</strong> <strong>für</strong> molekularbiologische Forschung auf, die ein Vorläufer von GBF und HZI (1973) war. Er ist seit 1987 Leiter der Arbeitsgruppe NMR- Spektroskopie und seit 2003 Leiter der Forschungsgruppe Biophysikalische Analytik (einschließlich der Analyseplattform). Literatur 1. Frank, R. (2007) The chemical pipeline – A research programme and infra-structure for the discovery and evaluation of new anti-infectives. Research Report 2006-2007, 32-43. 2. Reichenbach, H. (2007) Natural products: An indispensible source of new drugs. Research Report 2006-2007, 54-59. 3. Wray, V., Schiel O., Berlin, J. & Witte, L. (1985) Phosphorus-31 nuclear magnetic resonance investigation of the in vivo regulation of intracellular pH in cell suspension culture of Nicotiana tabacum: The effect of oxygen supply, nitrogen, and external pH change. Archive of Biochemistry and Biophysics 236, 731-740. 4. Pieper, D. H., Pollmann, K., Nikodem, P. Gonzalez, B. & Wray, V. (2002) Monitoring key reactions in degradation of chloroaromatics by in situ 1 H nuclear magnetic resonance: Solution structures of metabolites formed from cis-dienelactone, Journal of Bacteriology. 184, 1466-1470. 5. Wray, V., Kinder, R., Federau, T., Henklein, P., Bechinger, B. & Schubert, U. (1999) Solution structure and orientation of the transmembrane anchor domain of the HIV-1-encoded virus protein U by high-resolution and solid-state NMR spectroscopy. Biochemistry 38, 5272-5282. 6. Krumme, D., Budde, H., Hecht, H-J., Mange, U., Ohlenschläger, O. Ross, A., Wissing, J., Wray, V. & Flohé, L. (2003) NMR studies of the interaction of tryparedoxin with redox-inactive substrate homologues. Biochemistry 42, 14720-14728. 7. Solbak, S. M. Ø., Reksten, T. R., Wray, V., Bruns, K., Horvli, O., Raae, A. J., Henklein, P., Henklein, P., Röder, R., Mitzner, D., Schubert, U., Fossen, T. (<strong>2010</strong>) The intriguing cyclophilin A-HIV-1 Vpr interaction: Prolyl cis/trans isomerisation catalysis and specifi c binding. BMC Structural Biology 10, 31.