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Ergebnisbericht 2010/11 - Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

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122 WISSENSCHAFTLICHER ERGEBNISBERICHT | PoFII – unabhängige Forschung<br />

01 Funktionelle Genomik und Nischen-Spezifi zität<br />

PROJEKTLEITER | Prof. Dr. Kenneth N. Timmis | Arbeitsgruppe Umweltmikrobiologie | kti@helmholtz-hzi.de<br />

PROJEKTMITARBEITER | Dr. Sagrario Arias Rivas | Dr. Mónica Bassas Galia | Simrita Cheema |<br />

Dr. Thorben Dammeyer | Dr. Isabel Hartmann | Dr. Stefanie Libnow | Dr. Gabriella Molinari | Dr. Daniela Näther |<br />

Kateryna Selezska | Dr. Johannes Sikorski | Dr. Joao Vieira de Castro | Montri Yasawong.<br />

Die Flora des menschlichen Gastrointestinaltraktes (GI)<br />

wurde als weiteres Organ des menschlichen Körpers und<br />

als Hauptabschnitt des menschlichen “Bioms” defi niert.<br />

Damit lässt sich die Vielzahl unterschiedlichster Funktionen<br />

und Aufgaben zum Ausdruck bringen, die das Biom <strong>für</strong> den<br />

Organismus erfüllt. Und es würdigt den Umfang, in dem<br />

das Biom den menschlichen Phenotyp beeinfl usst. Trotz der<br />

wichtigen Aufgaben bei der Wahrung des Gleichgewichts<br />

zwischen Gesundheit und Krankheit, ist und bleibt dieser<br />

Bereich vielgestaltig, veränderlich, schwer zu untersuchen<br />

und ist noch wenig erforscht. Aktuelle großangelegte<br />

Metagenom-Projekte dienen dazu, die Kenntnisse über die<br />

Zusammensetzung und die funktionale Genomik dieser<br />

mikrobiellen Ökosysteme zu erweitern. Dabei konzentrieren<br />

sich jedoch die Untersuchungen auf die zahlreichen Elemente,<br />

die am besten zugänglich sind und vermutlich die<br />

wichtigsten Funktionen haben.<br />

Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED), zu<br />

denen Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und andere Formen<br />

der Kolitis zählen, sind komplexe, multifaktorielle Entzündungszustände.<br />

Von ihnen ist bekannt, dass sie durch<br />

verschiedene Genloci bestimmt werden, von denen man annimmt,<br />

dass sie durch die mikrobielle Darmfl ora ausgelöst<br />

bzw. manifest werden. Im Rahmen einer Kooperation mit<br />

der Universitätsklinik Kiel (Schreiber, Ott) und der Universität<br />

der Balearen (Nogales, Lanfranconi) haben wir <strong>für</strong> die<br />

Suche nach mikrobiellen Korrelationen mit Darmerkrankungen<br />

Schleimhautbiopsieproben aus den entzündeten<br />

Bereichen des Sigmoids von Patienten erhalten, die an verschiedenen<br />

Formen chronisch entzündlicher Darmerkrankungen<br />

leiden. Daraus haben wir 16S-Ribosomal-RNA-Genklonbibliotheken<br />

erstellt, die Klone sequenziert und deren<br />

phylogenetische Zuordnungsparameter bestimmt. Obwohl<br />

die mikrobielle Besiedelung des Dickdarms größtenteils aus<br />

Bakterien besteht, gehören dort die methanogenen Archaebakterien<br />

zu den kleineren Populationen. Daher haben wir<br />

zusätzlich zu den Bibliotheken der bakteriellen 16S-rRNA-<br />

Gensequenzen auch Bibliotheken der 16S rRNA-Gene der<br />

Archaebakterien erstellt, die durch niedrig stringente<br />

Amplifi kation unter Verwendung von Primern der Archaedomäne<br />

gewonnen wurden. Überraschenderweise ergaben<br />

eine Reihe von Biopsien Sequenzen von Elementen der<br />

Halobacteriaceae, zusätzlich zu den erwarteten Sequenzen<br />

von Methanogenen. Dieses Ergebnis war einerseits unerwartet,<br />

weil der Gastrointestinaltrakt nicht als salziges<br />

Milieu gilt und es zuvor noch keine Hinweise auf eine<br />

Besiedelung dieses Traktes durch halophile Archaebakterien<br />

gab – und andererseits wegen der außerordentlich<br />

großen Vielfalt und der großen Anzahl neuartiger geklonter<br />

Sequenzen: 269 Halobacteriaceae-spezifi sche Sequenzen<br />

aus den Biopsien, die in 15 verschiedene Phylotypen untergliedert<br />

wurden (die nahezu die gesamte phylogenetische<br />

Breite dieser Familie abdeckten), wobei 9 davon neu waren.<br />

Für die Koloskopien waren zunächst Darmspülungen mit einer<br />

Lösung aus Polyethylenglykol und Salzen erforderlich, so<br />

dass die haloarchealen Sequenzen möglicherweise von der<br />

Spüllösung stammen. Wir erhielten vom Krankenhaus zwei<br />

ungeöffnete Spüllösungspackungen, in denen die Biopsien<br />

aufbewahrt wurden und, zum Vergleich, eine Packung von<br />

demselben Hersteller über eine Apotheke in Palma, Mallorca,<br />

und eine andere von einem anderen Hersteller aus derselben<br />

Apotheke. Die DNA-Isolierung, die Amplifi kation und die<br />

Sequenzierung der archivierten Klone wurden wiederholt.<br />

Desweiteren wurden 8 Stuhlproben von Patienten mit<br />

chronisch entzündlichen Darmerkrankungen untersucht, bei<br />

denen die Darmspülung nicht durchgeführt worden war. Die<br />

Halobacteriaceae-ähnlichen Sequenzen fanden wir in 2 der 8<br />

Stuhlproben (76 Sequenzen) sowie in allen Spüllösungsproben<br />

(125 Sequenzen), wobei letztere in 17 Phylotypen eingeteilt<br />

wurden und keiner davon mit den Phylotypen übereinstimmte,<br />

die in den Patientenproben gefunden wurden.<br />

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass die halophilen<br />

Bakterien im menschlichen Darm von dem mit der Nahrung<br />

aufgenommenen Tafelsalz stammen könnten. Das zuvor erläuterte<br />

Verfahren wurde mit 3 Tafelsalzproben wiederholt,<br />

und wir erhielten 34 Sequenzen von Haloarchaebakterien,<br />

die <strong>11</strong> Phylotypen repräsentierten. Keiner dieser Phylotypen<br />

stimmte mit denen aus den Spüllösungen überein, wobei<br />

nur einer der Phylotypen auch bei den Patienten vorkam.<br />

Die verwendete experimentelle Methode ermöglicht keine<br />

Unterscheidung zwischen toten Zellen/freier DNA und<br />

überlebensfähigen, metabolisch aktiven Zellen. Deshalb<br />

wurden Anreichungskulturen <strong>für</strong> halophile Bakterien<br />

angesetzt, die aus der Biopsie eines Patienten stammten.<br />

Als Ergebnis erhielten wir Sequenztypen von Haloarchaebakterien,<br />

führten dann eine Hybridisierungsanalyse mit<br />

Hilfe der in situ Fluoreszenzmethode durch und erhielten<br />

nacheinander überlebensfähige Archaebakterienzellen in<br />

diesen Kulturen. Fazit: Während die Haloarchaea über die<br />

Nahrung ständig in den Gastrointestinaltrakt gelangen,<br />

konnte aufgrund des fehlenden Zusammenhangs zwischen<br />

Tafelsalz und Magendarmtraktphylotypen nicht ermittelt<br />

werden, ob diese Phylotypen vom Tafelsalz oder von den<br />

Spüllösungen stammen.

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