Ergebnisbericht 2010/11 - Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
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<strong>11</strong>2 WISSENSCHAFTLICHER ERGEBNISBERICHT | Infektion und Immunität | Pharmazeutische Forschung<br />
05.3 Chemische Biologie von Infektionskrankheiten<br />
PROJEKTLEITER | Dr. Ronald Frank | Abteilung <strong>für</strong> Chemische Biologie | rfr@helmholtz-hzi.de<br />
Dr. Florenz Sasse | Abteilung <strong>für</strong> Chemische Biologie | fsa@helmholtz-hzi.de<br />
PROJEKTMITARBEITER | Jihad Al-Qudsi | Ulrike Beutling | Randi Diestel | Dr. Michelle Fountain | Dr. Raimo Franke<br />
| Dr. Bernd Hofer | Denis Koska | Michael Mrosek | Dr. Irina Nickeleit | Dr. Mahtab Nourbakhsh | Dr. Marc Reboll<br />
| Saad Shaaban | Galina Sergeev | Dennis Schwab | Dr. Dr. Werner Tegge | Dr. Peter Washausen | Marina Wöhl<br />
Ziel dieses Projektes ist die Aufklärung der molekularen<br />
Mechanismen infektiöser Prozesse mit Hilfe niedermolekularer<br />
Wirkstoffe. Mit speziellen Testsystemen und Screening-<br />
Techniken selektieren wir bioaktive Substanzen aus chemischen<br />
Bibliotheken und analysieren ihre biologischen<br />
Wirkungen. Die Ergebnisse sollen zu neuen Antibiotika,<br />
Chemotherapeutika und Immunmodulatoren führen. Das<br />
Wissen über ihre Wirkmechanismen eröffnet neue therapeutische<br />
Wege. Als Teil der „Chemischen Pipeline” haben<br />
wir eine Infrastruktur eingerichtet, die uns eine schnelle<br />
und effektive Suche in miniaturisierten Testsystemen erlaubt.<br />
Unsere Bibliothek umfasst etwa 90 000 Proben und beinhaltet<br />
eine einzigartige Sammlung von Naturstoffen aus Myxobakterien<br />
(siehe 05.1), Substanzen von Kooperationspartnern,<br />
käufl ich erworbene Sammlungen und Verbindungen aus<br />
eigenen chemischen Synthesen. Die Infrastruktur steht über<br />
das deutsche ChemBioNet (www.chembionet.de) auch exter-<br />
nen Forschern und <strong>für</strong> andere Anwendungen zur Verfügung.<br />
Phänotypen charakterisieren den Wirkmechanismus<br />
Für die Aufklärung des Wirkmechanismus einer biologisch<br />
aktiven Substanz gibt es keinen Standardweg. Jede biolo gisch<br />
aktive Verbindung verändert Stoffwechsel- und Signalwege<br />
im komplexen biochemischen Netzwerk einer Zielzelle. Das<br />
Biologisch aktive Substanzen induzieren phänotypische<br />
Änderungen der Zellen, die charakteristisch <strong>für</strong> ihren Wirkmechanismus<br />
sind, hier das Beispiel Chivosazol A. Die grün<br />
gefärbten Aktinstrukturen der behandelten Zellen in B unterscheiden<br />
sich deutlich von denen der Kontrolle A. In C ist das<br />
Ergebnis einer hierarchischen Clusteranalyse mit verschiedenen<br />
Myxobakteriensubstanzen dargestellt. Der Ausschnitt D zeigt,<br />
dass Chivosazol A mit einer zweiten „blind“ gesetzten Probe der<br />
Verbindung zusammen clustert.<br />
kann zu auffallenden Veränderung in der Morphologie der<br />
Zelle und der Zellorganellen führen oder auch zu einer anderen<br />
Proteinverteilung. Diese phänotypischen Veränderungen<br />
können über Antikörper und spezifi sche Farbstoffe<br />
sichtbar gemacht werden. Einer unserer Wege ist, durch Vergleich<br />
von Phänotypen Hinweise auf den Wirkmechanismus<br />
zu bekommen. Diese Methode haben wir nun durch automatische<br />
Mikroskopie und statistische Auswertung großer<br />
Datenmengen verstärkt. Über automatische Mikroskopie<br />
kann man eine große Anzahl Bilder von behandelten Zellen<br />
aufnehmen, durch Software-basierte Bildanalyse auswerten<br />
und so ein Profi l der biologisch aktiven Substanz erstellen.<br />
Der Profi lvergleich bekannter und unbekannter Verbindungen<br />
liefert dann Hinweise auf den Wirkmechanismus der<br />
neuen Verbindung. Durch Software-gestützte Methoden, wie<br />
hierarchischen Clusteranalysen gruppieren sich Substanzen,<br />
die den gleichen Wirkmechanismus haben. Dadurch haben<br />
wir <strong>für</strong> unbekannte Substanzen wertvolle Hinweise auf ihre<br />
potenziellen Wirkmechanismen erhalten. Erste Folgeuntersuchungen<br />
konnten die Hinweise bestätigen.<br />
Inhibitoren der Adhärenz von Staphylococcus aureus an<br />
menschliche Epithelzellen Im Rahmen des vom BMBF<br />
geförderten Projekts “SkinStaph“ wurde ein hochdurchsatzfähiger<br />
Adhäsionsassay <strong>für</strong> die Suche nach neuen Inhibitoren<br />
der Interaktion zwischen dem human-pathogenen<br />
Bakterium Staphylococcus aureus und menschlichen Epithelzellen<br />
etabliert. Wir verwenden eine sehr zuverlässige<br />
neue Methode, die auf automatischer Mikroskopie basiert.<br />
Epithelzellen werden nach Zugabe von Wirkstoffkandidaten<br />
mit den Bakterien inkubiert, die nicht-adhärenten Bakterien<br />
entfernt und die Zellen fi xiert. Dann werden sowohl die<br />
Kerne der Epithelzellen als auch die Bakterien <strong>für</strong> die Fluoreszenzmikroskopie<br />
sichtbar gemacht. Das automatisierte<br />
Mikroskop nimmt mehrere Bilder pro Wirkstoffkandidat<br />
auf, erfasst quantitativ die Zellkerne und gibt einen Wert<br />
<strong>für</strong> die Größe der Fläche der fl uoreszierenden Bakterien<br />
aus. Die bakterielle Fläche ist proportional zur Anzahl der<br />
Epithelzellen, und es können somit Substanzen identifi ziert<br />
werden, die eine Abnahme adhärenter Bakterien verursachen.<br />
Screening-Durchläufe mit etwa 4.000 Substanzen<br />
und Substanzgemischen lieferten vielversprechende<br />
Kandidaten. Aussichtsreiche Substanzen werden derzeit in<br />
weiteren Studien, z.B. mit humanen nasalen Primärzellen,<br />
auf ihre Wirksamkeit sowie in zellbasierten Assays auf ihre<br />
Toxizität überprüft.<br />
Diestel, R., Irschik, H., Jansen, R., Khalil, M.W., Reichenbach, H., & Sasse, F. (2009)<br />
Chivosazole A and F, cytostatic macrolides from Myxobacteria, interfere with actin.<br />
ChemBioChem 10, 2900-2903.