Ergebnisbericht 2010/11 - Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Ergebnisbericht 2010/11 - Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Ergebnisbericht 2010/11 - Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
32 BERICHTE AUS DER FORSCHUNG | Die Alterung des Immunsystems: Probleme und Perspektiven<br />
Kenntnisse über die Veränderungen in den Zellen und auf<br />
molekularer Ebene, die mit zunehmendem Alter zu einer<br />
Abnahme der Immunfunktion führen, konnten in den letzten<br />
Jahren deutlich ausgebaut werden. Der nächste Schritt besteht<br />
nunmehr in der Durchführung klinischer Versuche, durch<br />
die Methoden entwickelt werden können, mit denen sich die<br />
Immunfunktion bei älteren Menschen verbessern lässt.<br />
Hundertjährige als Musterbeispiel <strong>für</strong> Gesundheit im<br />
Alter Hundertjährige, die per defi nitionem als sehr alte<br />
Menschen gelten, sind bei der Erforschung der maximalen<br />
Lebensspanne gut geeignete Probanden. Sie sind nicht nur<br />
sehr alt, sondern auch in einem verhältnismäßig guten<br />
mentalen und körperlichen Zustand. Früher ging man davon<br />
aus, dass nur sehr wenige Menschen das 100. Lebensjahr<br />
erreichen können, heute erreichen jedoch wesentlich mehr<br />
Menschen dieses hohe Alter. Publizierten Vorhersagen<br />
zufolge wird in naher Zukunft der Anteil der Menschen,<br />
die älter als 95 bzw. 100 Jahre sind, einen großen Teil der<br />
Bevölkerung ausmachen (Olshansky et al., 1990; Barinaga<br />
M, 1991). Hundertjährige sind ein gutes Beispiel da<strong>für</strong>, wie<br />
man auch im Alter weitgehend gesund bleiben kann, denn<br />
diese Menschen konnten die meisten Krankheiten vermeiden<br />
bzw. überstehen, die <strong>für</strong> die Morbosität und Mortalität im<br />
fortgeschrittenen Alter verantwortlich sind. Um in der Lage<br />
zu sein, die wesentlichsten, altersbedingten Krankheiten zu<br />
verhindern oder hinauszuzögern, müssen Hundertjährige<br />
zwangsläufi g über gut erhaltene und wirksame Immun- und<br />
Verteidigungsmechanismen, sowie über optimale Kombinationen<br />
zwischen einem angemessenen Lebensstil und entsprechenden<br />
genetischen Voraussetzungen (Franceschi und<br />
Bonafè, 2003) verfügen. Durch Untersuchungen an deren<br />
Immunsystemen wurden Parameter gefunden, die mit dem<br />
bei älteren Menschen in der Regel stattfi ndenden, fort schreitenden<br />
Verschleiß konform gehen (z.B. Verringerung der Anzahl<br />
der B- und T-Lymphozyten), während andere Parameter<br />
weitgehend intakt bleiben (z.B. Chemotaxis, Phagozytose).<br />
Ob anstelle der Umgebungseinfl üsse und der genetischen<br />
Voraussetzungen eher diese Parameter da<strong>für</strong> verantwortlich<br />
sind, dass einige Menschen ein so hohes Alter erreichen,<br />
bleibt jedoch noch zu klären. Daher sind Studien über<br />
Hundertjährige und insbesondere über solche, die sich einer<br />
guten Gesundheit erfreuen, nicht nur von großem biologischmedizinischen<br />
Interesse, sondern können auch einen Beitrag<br />
zur Erforschung der Gene leisten, durch die die beschriebenen,<br />
altersbedingten Krankheiten vermieden werden können.<br />
Tiermodelle zur Untersuchung der Immunoseneszenz<br />
Ethische Bedenken schränken die Durchführung von Experimenten<br />
an Menschen erheblich ein. Daher stammen die<br />
meisten altersbezogenen Erkenntnisse aus Experimenten an<br />
Zellkulturen oder Tieren. Es wurden mehrere Tiermodelle<br />
<strong>für</strong> die Untersuchung der altersbedingten Auswirkungen auf<br />
das Immunsystem und die spezifi schen Signalwege entwickelt,<br />
die sich nachweislich durch den Alterungsprozess verändern.<br />
Abb. 3. Mausmodelle haben sich als sehr nützlich <strong>für</strong> das<br />
Studium von Altersprozessen sowie die Aufklärung der Frage,<br />
wieso es zu einer anwachsenden Anfälligkeit gegenüber<br />
Infektionen in zunehmendem Alter kommt, gezeigt. Fotos: HZI<br />
Wirbellose Tiere erweisen sich <strong>für</strong> solche Studien als sehr ge -<br />
eignet, da sie in der Regel über kurze Zeitspannen mehrere<br />
Generationen durchlaufen, sehr kurze Lebensspannen haben<br />
und in großer Anzahl verfügbar sind. Jedoch ist die Übertragung<br />
der durch Untersuchungen an wirbellosen Tieren<br />
gewonnenen Erkenntnisse problematisch, da diese Tiere nur<br />
über ein angeborenes Immunsystem verfügen und bei ihnen<br />
somit die Komponenten des adaptiven Immunsystems nicht<br />
vorhanden sind. Das Fehlen der adaptiven Immunantwort<br />
hat jedoch den Vorteil, dass sich so die Auswirkungen des<br />
Alterns auf das angeborene Immunsystem untersuchen<br />
lassen – ohne die verwirrenden Interaktionen zwischen den<br />
angeborenen und adaptiven Immunmechanismen. Die am<br />
häufi gsten <strong>für</strong> die Untersuchung von Alterungsprozessen<br />
eingesetzten wirbellosen Tierarten sind Drosophila melanogaster<br />
und Caenorhabditis elegans (Kurz und Tan, 2004).<br />
Anhand von Mausmodellen (Abbildung 3) konnten hingegen<br />
wichtige Informationen über die altersbedingten Änderungen<br />
an den adaptiven Immunmechanismen (Maue et al., 2009)<br />
gewonnen werden. Mit den Immunoseneszenz-Modellen<br />
wurden Mäuse mit Änderungen in der Telomerase-Aktivität,<br />
der Tumorsuppressionsfunktion, im oxidativen Stress, der<br />
Hormonexpression sowie in Bezug auf verschiedene andere<br />
Moleküle untersucht, die bei der Entwicklung und Differenzierung<br />
des Immunsystems und <strong>für</strong> die Lebensdauer eines<br />
Organismus eine Rolle spielen. Dabei wurden eine Reihe<br />
neuer Erkenntnisse zu grundlegenden Immunfunktionen<br />
und Zusammenhängen zwischen Zellnetzwerken und Signalwegen<br />
in Verbindung mit der Lebensdauer und der Immunfunktion<br />
gewonnen. Zudem ist das Mausmodell ein sehr<br />
nützliches Werkzeug zur Bewertung der Strategien gegen<br />
Immunalterungsprozesse, also die Prozesse, die Individuen<br />
im fortgeschrittenen Alter ermöglichen, besser auf Impfungen<br />
zu reagieren bzw. Pathogene erfolgreicher zu bekämpfen.