Ergebnisbericht 2010/11 - Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
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36 BERICHTE AUS DER FORSCHUNG | Neuartige Nanopartikel setzen Impfstoffe frei<br />
Neuartige Nanopartikel setzen Impfstoffe frei<br />
KORRESPONDIERENDER AUTOR | Prof. Dr. Claus-Michael Lehr | Abteilung <strong>für</strong> Wirkstoff-Transport, <strong>Helmholtz</strong>-<br />
Institut <strong>für</strong> Pharmazeutische Forschung Saarland – HIPS | cle09@helmholtz-hzi.de | Institut <strong>für</strong> Biopharmazie<br />
und Pharmazeutische Technologie, Universität des Saarlandes, Saarbrücken | lehr@mx.uni-saarland.de<br />
CO-AUTOREN | Dr. Steffi Hansen | Arbeitsgruppe Transdermaler Wirkstofftransport – HIPS | Prof. Dr. Ulrich F.<br />
Schäfer | Institut <strong>für</strong> Biopharmazie und Pharmazeutische Technologie, Universität des Saarlandes, Saarbrücken |<br />
Prof. Dr. Dr. Carlos A. Guzmán | Abteilung <strong>für</strong> Vakzinologie und Angewandte Mikrobiologie – HZI<br />
Etwa ein Drittel der jährlichen Todesfälle weltweit sind auf Infektionskrankheiten zurückzuführen. Darüber hinaus sind Krankheitserreger<br />
auch direkt an der Entstehung von Krebs und anderen chronischen Erkrankungen beteiligt. Patienten, die schon durch<br />
Vorerkrankungen geschwächt sind (z.B. Traumata, Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen), versterben letztlich häufi g infolge<br />
von Infektionen.<br />
Strategien zur Vermeidung und Therapie von Infektionskrankheiten<br />
sind folglich von höchster Wichtigkeit. Impfungen<br />
sind hierbei immer noch die kostengünstigste Option.<br />
Die Möglichkeit, Impfungen sowohl gegen infektiöse als<br />
auch nicht-infektiöse Erkrankungen einzusetzen, macht sie<br />
zu einem therapeutischen Instrument von höchstem Interesse.<br />
Bei den heutzutage verwendeten Impfstoffen handelt<br />
es sich um klassische, lebende, abgeschwächte Erreger und<br />
um inaktivierte Pathogene. Aufgrund der hohen Komplexität<br />
dieser Moleküle kann jedoch die Qualität zwischen den<br />
Produktionschargen sehr variabel sein, und sie können zudem<br />
schwere Nebenwirkungen auslösen. In den letzen Jahren<br />
wurde die Gruppe der „Subunit“-Vakzine in den Markt<br />
eingeführt. Diese Impfstoffe basieren auf einem genau<br />
defi nierten Bruchstück des jeweiligen Antigens, das einen<br />
wirksamen Schutz auslöst. Weitere Fortschritte im Bereich<br />
der „Genomics“ und „Proteomics“ haben eine Vielzahl weiterer<br />
potenzieller Zielstrukturen und -antigene identifi ziert.<br />
Hierzu zählen rekombinante Proteine, synthetische Peptide,<br />
Kohlenhydrate, Lipide und DNA.<br />
Die klassischen Impfstoffe lösen in der Regel eine sehr<br />
starke Immunantwort aus, bedingt durch die komplexe<br />
Molekülstruktur des Antigens. Außerdem haben einige<br />
pathogen-assoziierte Bestandteile einen adjuvanten Effekt.<br />
Aufgereinigte Antigene aus „Subunit“-Vakzinen hingegen<br />
lösen <strong>für</strong> gewöhnlich nur eine sehr schwache Reaktion aus,<br />
so dass dem Impfstoff Adjuvantien zur Verbesserung der<br />
Immunantwort zugefügt werden müssen. Diese Adjuvantien<br />
(i) verstärken zum einen die ausgelöste Immunantwort,<br />
(ii) senken damit die benötigte Menge an Antigen und (iii)<br />
verkürzen die Zeit bis zum Eintreten des Impfschutzes. Zum<br />
anderen kann die Art und Stärke der Immunantwort beeinfl<br />
usst werden. Letztlich kann durch adjuvantierte Impfstoffe<br />
ein lang anhaltendes, immunologisches Gedächtnis geschaffen<br />
werden, ohne dass mehrmalige Auffrischimpfungen<br />
notwendig sind.<br />
Impfungen über die Haut? Gemeinsam ist allen etablierten<br />
und innovativen Antigenen, dass sie instabil und nur sehr<br />
schlecht permeabel sind, wenn sie in ihrer nativen Form<br />
auf die Haut aufgebracht werden. Dies erfordert innovative<br />
Lösungen, die den Wirkstofftransport ermöglichen, das<br />
heißt geeignete Arzneistoffträgersysteme, Formulierungen<br />
oder andere Methoden, die eine Stabilisierung und Permeation<br />
ermöglichen. Die meisten Impfungen werden heutzutage<br />
immer noch über eine intradermale oder subkutane<br />
Injektion verabreicht. Allerdings sind hiermit neben der<br />
schlechten Akzeptanz der Patienten auch Sicherheitsrisiken<br />
(z.B. Infektionen) verbunden. Darüber hinaus muss die<br />
Applikation durch besonders geschultes Personal erfolgen.<br />
Hinzu kommt, dass der Impfstoff die Antigen-präsentierenden<br />
Zellen (APZ) der Haut durch die Injektion nicht optimal<br />
erreichen kann. Dies sind die relevanten Zielzellen, welche<br />
die naiven T-Zellen induzieren und nachfolgend zur Bildung<br />
eines immunologischen Gedächtnisses führen. In der Mus-<br />
Abb. 1. Penetration von Methylenblau in Schweinehaut. Der<br />
Farbstoff dringt tief in den Haarfollikel ein. Foto: HIPS/HZI