17. Internationales Dokumentarfilmfestival München - DOK.fest ...
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Nine Good Teeth, der in <strong>München</strong> seine Welturaufführung erlebt,<br />
lässt Mary Mirabito zu Wort kommen, die vor 102 Jahren auf Sizilien<br />
geboren wurde, heute in New York lebt – und noch immer den Drehund<br />
Angelpunkt ihrer Familie bildet. Ihre teils tragischen, teils köstlichen<br />
Geschichten, bei denen sie nie ein Blatt vor den Mund nimmt<br />
und höchst eigene Ansichten vertritt, umfassen das ganze vergangene<br />
Jahrhundert. Sottosopra vertritt die gewagte These, das<br />
Patriarchiat habe sich seit geraumer Zeit erledigt und lässt, mit einigen<br />
ihrer bekanntesten Schweizer Vertreterinnen aus mehreren Generationen,<br />
die Geschichte der Frauenbewegung Revue passieren.<br />
In allen Programmen finden sich in diesem Jahr Filme, die unseren<br />
nach wie vor fahrlässigen Umgang mit Natur und Schöpfung reflektieren.<br />
So zeigt Jens Schanze im Otzenrather Sprung die Folgen<br />
politischer Entscheidungen über den künftigen Strombedarf.<br />
Dem Rheinischen Braunkohleabbau rund um Garzweiler müssen<br />
ganze Gemeinden weichen – die Menschen verlieren ihre angestammte<br />
Heimat und siedeln in neu gebaute Dörfer um. Während<br />
in Deutschland Ausgleichszahlungen und aufwändige Rekultivierungsmaßnahmen<br />
die Regel sind, nutzt die interessierte Großindustrie<br />
in Indien Hand in Hand mit der Regierung die Gunst der<br />
Stunde, als ein Erdbeben Ansiedlungen auf einem vielversprechenden<br />
Abbaugebiet zerstört. Auch hier werden die Bewohner, nach<br />
einem fragwürdigen demokratischen Entscheidungsverfahren, umgesiedelt,<br />
und dann im Stich gelassen. Aftershocks: The rough<br />
Guide to Democracy beobachtet diesen beschämenden Umgang<br />
mit Menschen, die dem Fortschritt im Weg stehen.<br />
Beunruhigend sind die Fortschritte bei der Zucht neuer, teilweise<br />
genmanipulierter Getreidesorten, und die damit verbundenen Folgen<br />
für die Landwirtschaft in aller Welt. Tote Ernte – Der Krieg<br />
ums Saatgut schildert die neuesten, erschreckenden Entwicklungen,<br />
die längst auch in Deutschland Einzug gehalten haben. Cottonmoney<br />
& The Global Jeans ist ein seltenes filmisches Lehrstück<br />
darüber, was Baumwollanbauer in Tansania mit Börsenmaklern<br />
in Zürich oder Jeansfabrikanten in Deutschland verbindet, und<br />
wie die Entscheidungen der einen auf das Leben der anderen gravierenden<br />
Einfluss nehmen.<br />
Unter den neuen Filmen aus Bayern finden sich einige Filme über<br />
behinderte Menschen. Ecce Homo von Mirjam Kubescha ist dabei<br />
nur ein, allerdings besonders gelungenes Beispiel. Ein Film, der<br />
bereits nach Cannes eingeladen war, und bei dem Jörg Schmidt-<br />
Reitwein die Kamera geführt hat.<br />
Unter den meditativen Werken, die das Leben und die uns vergönnte<br />
Zeit reflektieren, ist, neben dem poetischen Ask the Wind<br />
unter anderen En Passant zu sehen. Mehrere Jahre haben Thomas<br />
Körner und Hans-Albrecht Lusznat an diesem Film-Essay gearbeitet,<br />
Bilder gesammelt und Menschen gefunden, die davon erzählen,<br />
wie sich sich eingerichtet haben in ihrem irdischen Leben. Eine<br />
Meditation über die Ordnung des Alltags, die täglichen Wege und<br />
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Verrichtungen, die kleinen und großen Rituale und den Fluss der<br />
Zeit ist dabei entstanden. »Ortszeit <strong>München</strong>« heißt dieser Film im<br />
Nebentitel. Münchner werden ihre Stadt danach mit anderen Augen<br />
sehen. – Dies ist selbstverständlich nur ein kleiner, sehr persönlicher<br />
Überblick über das Programm.<br />
Ein Festival im Umbruch<br />
Das Internationale <strong>Dokumentarfilm<strong>fest</strong>ival</strong> <strong>München</strong> gehört heute<br />
zu den weit über diese Stadt hinausreichenden Kulturereignissen,<br />
ist ein Ort der Begegnung und des Gesprächs – zwischen <strong>München</strong>er<br />
Publikum und Regisseur/inn/en aus aller Welt, die ihre Werke<br />
persönlich vorstellen und uns mit ihrer Sicht der Dinge bereichern.<br />
Dass das <strong>München</strong>er Festival im Lauf der Jahre die heutige Größe<br />
und Bedeutung erreicht hat, ist das ausschließliche Verdienst von<br />
Gudrun Geyer. Ihr gilt unser herzlicher Dank, ihr fühlen wir uns verpflichtet,<br />
ihr Werk wollen wir fortsetzen.<br />
Als Gudrun Geyer im vergangenen Mai nach 16 Jahren als Festivalleiterin<br />
ihren Abschied nahm, war allen, die das Internationale <strong>Dokumentarfilm<strong>fest</strong>ival</strong><br />
seit langem schätzten, zunächst nicht klar, ob<br />
und wie es weitergehen könnte. Rasch bildete sich ein Arbeitskreis,<br />
dem es darum ging, die unabdingbaren Voraussetzungen für einen<br />
Fortbestand des Festivals zu schaffen.<br />
Zu einer Zeit, in der klar geworden war, dass die öffentlichen Haushalte<br />
in erhebliche Schwierigkeiten geraten waren, was zu unvermeidlichen<br />
Einsparungen in allen Etats führte, entschied der Stadtrat<br />
der Landeshauptstadt Anfang Dezember 2001 einstimmig und<br />
über alle Parteigrenzen hinweg, dass der Etat des Festivals für 2002<br />
auf rund 100.000 EUR verdoppelt werden sollte.<br />
Diese klare politische Entscheidung, die die Wertschätzung und den<br />
Stellenwert des Festivals im Kulturleben der Stadt deutlich machte,<br />
war uns Ansporn und Verpflichtung, das Internationale <strong>Dokumentarfilm<strong>fest</strong>ival</strong><br />
<strong>München</strong> 2002 durchzuführen.<br />
Inzwischen gibt es einen Verein gleichen Namens, dessen Mitglieder<br />
die Aufgabe übernommen haben, nicht nur den langfristigen<br />
Bestand des Festivals zu sichern, sondern es in den nächsten Jahren<br />
auch weiter auszubauen.<br />
Unser herzlicher Dank gilt allen, die im vergangenen halben Jahr<br />
mit großem Engagement mitgeholfen haben, das <strong>17.</strong> <strong>Dokumentarfilm<strong>fest</strong>ival</strong><br />
<strong>München</strong> 2002 auf den Weg zu bringen.<br />
Ich wünsche Ihnen und unseren internationalen Gästen viele erlebnisreiche<br />
Stunden im Kino und spannende, anregende Gespräche<br />
danach, vor allem aber, dass dieses Festival, durch seine Filme und<br />
die hier möglichen Begegnungen, Sie alle bereichert und in der<br />
Überzeugung bestärkt, dass Weltoffenheit, Toleranz, Einsatz für die<br />
Menschenrechte und ein würdiges Miteinander lohnende Ziele<br />
sind, an denen es <strong>fest</strong>zuhalten gilt.<br />
Hermann Barth