Falstaff Magazin Deutschland 04/2021
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gourmet / NEW YORK UND SEINE AUSTERN<br />
Tonnen von Muschelschalen<br />
aus New Yorker Restaurants<br />
lagern auf Governors Island.<br />
Während die Natur ihre<br />
Säuberung übernimmt,<br />
warten diese auf ihren Einsatz<br />
bei der Rekultivierung der<br />
Austernbänke vor New York.<br />
<<br />
Diese heutige Spezialität<br />
war dabei seinerzeit<br />
längst nicht nur ein Essen für<br />
reiche Leute, sondern auch für die<br />
Armen. Straßenhändler grillten an jeder<br />
Ecke Austern, wo heute Hot Dogs angeboten<br />
werden. Und Millionen Stück wurden<br />
exportiert. Doch Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
war Schluss mit dem Überfluss: Die<br />
Austern von New York waren aufgegessen.<br />
Der stetig wachsende Industriemüll, Abwässer<br />
und Krankheiten waren für deren<br />
Überleben ebenfalls nicht gerade förderlich.<br />
Manhattan wuchs in die Breite und<br />
in die Höhe. Sumpfig-steinige Ufer, die für<br />
Austern einst ein ideales Zuhause waren,<br />
mussten Schottwänden und Piers weichen.<br />
Aber nicht nur in New York, weltweit<br />
sind die natürlichen Austernvorkommen<br />
vielerorts dramatisch geschrumpft. Dabei<br />
sind Austern so etwas wie die Ingenieure<br />
des Ökosystems. Eine durchschnittliche<br />
Auster filtert und reinigt über ihre Kiemen<br />
mindestens 200 Liter Wasser pro Tag, oft<br />
sind es noch mehr. Zum Vergleich: Eine Ba-<br />
dewanne fasst etwa 150<br />
bis 180 Liter. Sie sind damit<br />
die Nieren des Meeres, entfernen<br />
Gifte, Schadstoffe und Krankheitserreger.<br />
Das Wasser wird klarer, es fällt<br />
mehr Licht auf den Meeresboden.<br />
Durch neue Gesetze zur Verbesserung der<br />
Wasserqualität ist das Hafenwasser in New<br />
York in den letzten Jahrzehnten sukzessive<br />
sauberer geworden. Zumindest so weit,<br />
dass gezüchtete Austern ausgesetzt werden<br />
und überleben können. Das ist der Grundstein<br />
für das »Billion Oyster Project«.<br />
DIE LEEREN SCHALEN<br />
ALLER ARTEN VON<br />
MUSCHELN AUS NEW<br />
YORKS RESTAURANTS<br />
WERDEN ZUM NEUEN<br />
ZUHAUSE FÜR DIE<br />
WILDEN AUSTERN.<br />
GOURMETS ALS VERBÜNDETE<br />
Die Schalen für die Babyaustern liefern,<br />
wie bereits gesagt, New Yorker Restaurants.<br />
»Vor der Pandemie haben wir von<br />
80 Lokalen die Austernschalen bekommen,<br />
sechs Mal die Woche wurden sie abgeholt.<br />
Derzeit fährt unser Truck nur ein Mal pro<br />
Woche zu zwölf Restaurants«, so Projektleiter<br />
Malinowski. Aber auch wenn derzeit<br />
weniger Muschelschalen gesammelt werden,<br />
lagern auf Governors Island derzeit<br />
etwa 500 Tonnen. »Sie liegen zunächst ein<br />
Jahr lang hier und werden von Wind und<br />
Wetter gereinigt«, erklärt Malinowski.<br />
»Denn wir wollen ja keine Krankheitserreger<br />
auf unsere Jungtiere übertragen.«<br />
Hier finden sich hauptsächlich Austernschalen<br />
von Tieren, die von der Ostküste<br />
stammen. Aber auch welche von der Westküste<br />
sowie Jakobsmuscheln und Venusmuscheln<br />
sind darunter. Schätzungen zufolge<br />
wurden vor Covid in New York pro Woche<br />
eine halbe Million Muscheln verzehrt.<br />
Und den Austernlarven ist es herzlich egal,<br />
welche Muschel ihr neues Zuhause ist. Sie<br />
Fotos: Shutterstock, Katie Orlinsky for The Pew Charitable Trusts, Thomas Ramstorfer / First Look / picturedesk.com,<br />
Angelika Ahrens, Robina Taliaferrow<br />
130 falstaff jun <strong>2021</strong>