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Falstaff Magazin Deutschland 04/2021

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gourmet / ERNEST HEMINGWAY<br />

GRENZGÄNGER<br />

HEMINGWAY<br />

Sich mit den Kräften der<br />

Natur zu messen, prägte<br />

Leben und Werk des Autors.<br />

<<br />

Stierkampf faszinierte Hemingway, und<br />

auch das Rahmenprogramm lag ihm, wie<br />

man in »Tod am Nachmittag« nachlesen<br />

kann: »Mariscos sind Krustentiere, die<br />

man im Café, während man Bier trinkt, vor<br />

oder nach dem Stierkampf isst; die besten<br />

sind percebes, eine Art Entenmuscheln mit<br />

einem schmackhaften Stiel von sehr zartem<br />

und köstlichem Geschmack«.<br />

1936 bekam sein unbändiger Freiheitsdrang<br />

einen neuen Schub. Hemingway<br />

kaufte eine zwölf Meter lange Motorjacht,<br />

denn »das Meer ist der letzte freie Ort auf<br />

der Welt«. Das Hochseefischen in kubanischen<br />

Gewässern wurde zu seiner großen<br />

Passion. Und auch auf hoher See legte er<br />

Wert auf beste Verköstigung. Dafür hatte<br />

Gregorio Fuentes zu sorgen. Er war Hemingways<br />

Skipper, der sich auch um die<br />

Ausstattung der »Ethyl-Abteilung« an<br />

Bord kümmerte. Und er war ein exzellenter<br />

Koch. Fuentes könne es mit jedem Küchenchef<br />

der Welt aufnehmen, war Hemingway<br />

überzeugt. Als der Hotelier Charlie Ritz<br />

ihn besuchte, schloss Hemingway die Wette<br />

ab, dass sein Skipper besseres Essen auf<br />

Auf hoher See, den Cocktail immer<br />

zur Hand: Hemingway und seine<br />

dritte Ehefrau, die Journalistin<br />

Martha Gellhorn, im Jahr 1941.<br />

den Tisch bringen könne als alle Köche im<br />

Pariser Hotel Ritz. Tatsächlich gelang es<br />

Fuentes, Ritz mit seiner Spaghetti-Kreation,<br />

Schwertfisch à la Pilar und Doradenfilet<br />

in Limonensauce zu überzeugen.<br />

Das Leben in Kuba behagte Hemingway<br />

auch zu Land. In den vielen Bars, vor allem<br />

dem »El Floridita« in Havanna, wurde er<br />

schnell zum gerne gesehenen Stammgast.<br />

»Ich trinke, seit ich fünfzehn bin, und nur<br />

wenige Dinge haben mir mehr Vergnügen<br />

bereitet«, schrieb er einmal seinem russischen<br />

Übersetzer Iwan Kaschkin.<br />

Dass der maßlose Alkoholkonsum irgendwann<br />

ernste Folgen für ihn haben<br />

würde, nahm der Autor in Kauf, an ärztliche<br />

Anordnungen hielt er sich nicht. Als<br />

sich sein Gesundheitszustand jedoch nachhaltig<br />

verschlechterte, kam er damit nicht<br />

zurecht. Depressionen und Angstzustände<br />

peinigten ihn und keine Behandlung konnte<br />

sein Leid lindern. Am 2. Juli 1961 setzte<br />

Hemingway seinem Leben in seinem Haus<br />

in Ketchum (Idaho) ein Ende. An seinem<br />

Buch »Paris – ein Fest fürs Leben« arbeitete<br />

er bis zu seinem letzten Tag.<br />

<<br />

Ernest Miller Hemingway wurde 1899 in Oak<br />

Park, Illinois, geboren. Die Begeisterung fürs<br />

Jagen und Fischen hatte er von seinem Vater<br />

Edmond. Von ihm lernte er, wie man in der<br />

Wildnis überlebt. Diese Zeit war für Hemingway<br />

prägend, er entwickelte eine tiefe Verbundenheit<br />

zur Natur. Sein Leben lang zog es ihn<br />

in die Berge, die Wälder, die Wüste, vor allem<br />

aber aufs Meer. Hemingway liebte die Gefahr<br />

und bis an sein Limit zu gehen, erst<br />

da fühlte er sich lebendig.<br />

An seine Grenzen gelangt auch der alte<br />

Fischer Santiago in Hemingways Erzählung<br />

»Der alte Mann und das Meer«. Den einst so<br />

erfolgreichen Santiago hat das Glück verlassen,<br />

doch er gibt nicht auf. Immer wieder<br />

fährt er aufs Meer, und tatsächlich beißt ein<br />

riesiger Fisch an. Zwei Tage lang kämpft er<br />

mit dem Marlin am Haken. Nachdem er ihn<br />

am dritten Tag töten konnte, ist er aber selbst<br />

zu schwach, um das Tier ins Boot zu hieven. Er<br />

beschließt, ihn an der Leine im Wasser hinter<br />

sich her zu ziehen. Doch als Santiago entkräftet<br />

das Land erreicht, ist von dem riesigen<br />

Fisch nichts mehr übrig als sein Skelett.<br />

Mit seiner Novelle gelang es Hemingway,<br />

eine lange Schaffenskrise zu beenden. Kaum<br />

jemand hatte ihm noch einen derartigen Wurf<br />

zugetraut. Aber als »Der alte Mann und das<br />

Meer« 1952 im <strong>Magazin</strong> »Life« erschien,<br />

reagierten die Leser euphorisch. Auch seine<br />

Kritiker mussten eingestehen, dass Hemingway<br />

das Schreiben doch noch nicht verlernt<br />

hatte. Der Autor erhielt für sein Werk sowohl<br />

den Pulitzer- als auch den Literaturnobelpreis.<br />

Allerdings sollte »Der alte Mann und das<br />

Meer« das letzte Buch sein, das zu seinen<br />

Lebzeiten veröffentlicht wurde. Im Sommer<br />

1961 nahm sich Hemingway das Leben.<br />

Fotos: Getty Images, beigestellt<br />

148 falstaff jun <strong>2021</strong>

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