8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2
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zu vereinbarenden, beinhaltet. Ein anderer bedeutender Aspekt ist die wichtige<br />
Rolle, die soziologische Charakteristika der wissenschaftlichen Gemeinschaft spielen.<br />
Kuhns Vorstellung (iber den Fortschritt von Wissenschaft kann mit dem folgenden<br />
offenen Ablaufschema zusammengefasst werden:<br />
Vor-Wissenschaft — normale Wissenschaft - Krise - Revolution -<br />
Neue Normalwissenschaft - Neue Krise . . .<br />
Die wenig organisierten und unterschiedlichen Aktivitaten, die der Bildung einer<br />
Wissenschaft vorausgehen, werden schlieBlich strukturiert und bekommen eine<br />
Richtung, wenn ein einziges Paradigma von der Gemeinschaft der Wissenschaftler<br />
anerkannt wird. Ein Paradigma besteht aus den allgemeinen theoretischen<br />
Annahmen und Gesetzen sowie den Techniken fur ihre Anwendung, die die<br />
„Scientific community" einer bestimmten Wissenschaft anerkennt. Wissenschaftler,<br />
die innerhalb eines Paradigmas arbeiten - ganz gleich, ob es sich um newtonsche<br />
Mechanik, die Wellenoptik, die analytische Chemie oder um sonst irgendetwas<br />
handelt - praktizieren, was Kuhn Normalwissenschaft nennt. Bei dem Versuch,<br />
das Verhalten einiger relevanter Aspekte der Wirklichkeit, so wie es sich <strong>als</strong><br />
das Ergebnis von Experimenten darstellt, zu erklaren, entwickeln die Normalwissenschaftler<br />
ihr Paradigma und konkretisieren es. Dabei stoBen sie unvermeidlich<br />
auf Schwierigkeiten und augenfallige F<strong>als</strong>ifikationen. Wenn derartige Schwierigkeiten<br />
tiberhand nehmen, entwickelt sich daraus eine Krise. Eine Krise wird uberwunden,<br />
wenn ein volHg neues Paradigma auftaucht und mehr und mehr Anhanger<br />
unter den Wissenschaftlern bekommt, bis schlieBlich das urspriingliche, problembeladene<br />
Paradigma aufgegeben wird. Der sprunghafte Wechsel stellt eine<br />
wissenschaftliche Revolution dar. Das neue Paradigma, vielversprechend und zunachst<br />
unbelastet von emsthaften Problemen, bestimmt nun neue normalwissenschaftliche<br />
Forschungsaktivitaten, bis es ebenso mit Schwierigkeiten konfrontiert<br />
wird und sich eine neue Krise ergibt, gefolgt von einer neuen Revolution.<br />
Betrachten wir nun nach diesem kurzen Uberblick die einzelnen Komponenten<br />
des kuhnschen Ansatzes im Detail.<br />
8.3 Paradigmen und Normalwissenschaft<br />
Eine voll entwickelte Wissenschaft wird durch ein einziges Paradigma geleitet.^<br />
Das Paradigma bestimmt den Standard fur legitime Forschung innerhalb der be-<br />
Nach der 1. Auflage von „ Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen " hat Kuhn eingeraumt, dass<br />
er den Terminus „Paradigma" ursprunghch in einem zweideutigen Sinne verwandt hat. In dem Postskriptum<br />
zu der zweiten, revidierten und erganzten Auflage unterscheidet er zwischen einer umfassenderen<br />
Bedeutung des Terminus, wofiir er die Bezeichnung „disziplindres System'' („discipHnary<br />
matrix") einftihrt, und einer Bedeutung im engeren Sinne, fiir die er den Terminus „Musterbeispiel"<br />
(„exemplar") heranzieht. Hier wird weiterhin der Begriff „Paradigma" dafur verwendet, was Kuhn <strong>als</strong><br />
„disziplinares System" bezeichnet. - In seinem Postskriptum nimmt Kuhn Bezug auf die Kritik am<br />
ParadigmenbegriffvonMasterman (1974). (Anm. d. Hrsg.)