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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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geladene Korper, ladungstragende Korper usw.) durch den leeren Raum unmittelbaren<br />

Einfluss aufeinander ausiiben und dass die elektromagnetischen Krafte sich<br />

nur mit einer endlichen Geschwindigkeit durch materielle Stoffe fortpflanzen. Die<br />

Theorie von Maxwell kollidierte mit diesen allgemein anerkannten Annahmen,<br />

weil sie vorhersagte, dass Licht eine elektromagnetische Erscheinung ist und dass<br />

Wechselstrome, wie spater auch ersichtlich wurde, eine neue Art von Strahlung<br />

aussenden, die Radiowellen, die sich mit einer endlichen Geschwindigkeit durch<br />

den leeren Raum bewegen. Die Theorie von Maxwell war 1864 kiihn und die<br />

Vorhersage der Radiowellen, die daraus folgte, war eine neuartige Vorhersage.<br />

Heutzutage ist die Tatsache, dass die Theorie von Maxwell eine genaue Beschreibung<br />

tiber das Verhalten einer ganzen Reihe elektromagnetischer Systeme geben<br />

kann, ein allgemein anerkannter Bestandteil wissenschaftlicher Erkenntnis. Aussagen<br />

tiber die Existenz und die Eigenschaften der Radiowellen werden nicht<br />

mehr <strong>als</strong> neuartige Vorhersagen betrachtet.<br />

Wenn wir die Gesamtheit der wissenschaftlichen <strong>Theorien</strong>, die in einem bestimmten<br />

Stadium der Wissenschaftsgeschichte allgemein anerkannt und fest<br />

begriindet sind, das Hintergrundwissen dieser Zeit nennen, dann konnen wir<br />

sagen, dass eine Vermutung dann kiihn ist, wenn dasjenige, was sie behauptet,<br />

angesichts des Hintergrundwissens dieser Zeit unwahrscheinlich ist. Die Allgemeine<br />

Relativitatstheorie von Einstein war 1915 eine kiihne Theorie, weil in dieser<br />

Zeit das Hintergrundwissen die Annahme enthielt, dass sich Licht in geraden<br />

Linien fortbewegt. Dies stand im Widerspruch zu einer Schlussfolgerung der<br />

Allgemeinen Relativitatstheorie, nach der Lichtstrahlen in starken Gravitationsfeldem<br />

gebeugt werden. Die Astronomic von Kopemikus war 1543 kiihn, weil sie im<br />

Widerspruch zu der Hintergrundannahme stand, dass die Erde unbeweglich im<br />

Mittelpunkt des Weltalls stehe. Heutzutage wiirde man diese Theorie nicht <strong>als</strong><br />

kiihn bezeichnen.<br />

Genauso wie man Vermutungen in Bezug auf das jeweilige Hintergrundwissen<br />

<strong>als</strong> kuhn betrachtet, so werden auch Vorhersagen <strong>als</strong> neuartig eingestuft, wenn<br />

sie Phanomene betreffen, die in dem Hintergrundwissen dieser Zeit nicht vorkommen<br />

oder vielleicht sogar ausdriicklich ausgeschlossen werden. Die Vorhersage<br />

der Existenz vom Planeten Neptun im Jahre 1846 war neuartig, weil das<br />

Hintergrundwissen dieser Zeit keinen Hinweis auf die Existenz eines derartigen<br />

Planeten enthielt. Poisson leitete 1818 aus der Wellentheorie des Lichtes von<br />

Fresnel die Vorhersage ab, dass man, wenn man eine lichtundurchlassige Scheibe<br />

auf geeignete Art und Weise beleuchtet, in der Mitte der anderen Seite der Scheibe<br />

einen hellen Fleck beobachten konne. Die Vorhersage war neuartig, weil das Auftreten<br />

dieses hellen Flecks durch die Teilchentheorie des Lichts, die einen Teil des<br />

Hintergrundwissens dieser Zeit ausmachte, ausgeschlossen wurde.<br />

Im vorigen Abschnitt wurde erortert, dass bedeutende Beitrage zu dem Fortschreiten<br />

der wissenschaftlichen Erkenntnis dann zustandekommen, wenn entweder<br />

eine kiihne Vermutung bestatigt oder wenn eine behutsame Vermutung f<strong>als</strong>ifiziert<br />

wird. Die Akzeptanz von Hintergrundwissen versetzt uns in die Lage, zu<br />

erkennen, dass diese beiden Moglichkeiten gemeinsam <strong>als</strong> das Ergebnis eines<br />

einzigen Experiments auftreten. Hintergrundwissen besteht, gerade weil dieses<br />

Wissen fest begriindet ist und <strong>als</strong> unproblematisch betrachtet wird, aus behutsa-<br />

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