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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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umfasst. Nach Kuhn erfullen Normalwissenschaft und Revolutionen wichtige<br />

Funktionen, sodass Wissenschaft entweder diese oder gewisse anderen Charakteristika<br />

umfassen muss, die die gleichen Funktionen erfullen konnen. Wir wollen<br />

diese Funktionen naher betrachten.<br />

Perioden der Normalwissenschaft bieten Wissenschaftlem die Moglichkeit,<br />

die fachwissenschaftlichen Details einer Theorie zu entwickeln. Wahrend sie<br />

innerhalb eines Paradigmas, dem Fundament, das <strong>als</strong> absolut gtiltig betrachtet<br />

wird, forschen, sind sie in der Lage, die anspruchsvolle experimentelle und theoretische<br />

Arbeit zu leisten, die notwendig ist, um die Anpassung des Paradigmas an<br />

die Realitat in zunehmendem MaBe zu verfeinem. Das Vertrauen in die Angemessenheit<br />

des Paradigmas versetzt Wissenschaftler in die Lage, ihre Energie eher in<br />

Versuche zu stecken, die detaillierten „Ratsel" zu losen, die sich innerhalb ihres<br />

Paradigmas stellen, anstatt sich in Streitgesprachen uber die Legitimation ihrer<br />

fundamentalen Annahmen und Methoden aufzureiben. FUr den Normalwissenschaftler<br />

ist es notwendig, in gewissem Sinne „unkritisch" zu sein. Wenn alle<br />

Wissenschaftler an jedem Aspekt des Rahmens, in dem sie forschen, immerzu<br />

Kritik tibten, wurde nie ins Detail gehende Forschung geleistet werden konnen.<br />

Wenn alle Wissenschaftler Normalwissenschaftler waren und blieben, dann<br />

wtirde eine Einzelwissenschaft sich auf ein einziges Paradigma einschieBen und<br />

sich danach nicht weiterentwickeln. Dies ware vom kuhnschen Standpunkt aus ein<br />

schwerwiegender Fehler. Ein Paradigma verkorpert einen speziellen konzeptuellen<br />

Rahmen, mit dem die Welt betrachtet und beschrieben wird, sowie eine Anzahl<br />

experimenteller und theoretischer Techniken, um dieses Paradigma an die Gegebenheiten<br />

der Realitat anzupassen. Aber es gibt keinen A-phori-Grund dafur, dass<br />

man erwarten kann, dass irgendein Paradigma voUkommen ist oder zumindest das<br />

beste, das zur Verfugung steht. Es gibt keine induktiven Prozeduren, um zu voUkommen<br />

angemessenen Paradigmen zu gelangen. Folglich sollte Wissenschaft die<br />

Moglichkeit beinhalten, aus einem Paradigma in ein anderes, besseres auszubrechen.<br />

Dies ist die Funktion von Revolutionen. Alle Paradigmen sind in gewissem<br />

MaBe unzureichend, soweit es die Anpassung an die Realitat betrifft. Wenn das<br />

Paradigma eine zu geringe Ubereinstimmung mit der Wirklichkeit aufweist, d.h.,<br />

wenn sich eine Krise entwickelt, dann wird der revolutionare Schritt, das Ersetzen<br />

des gesamten Paradigmas durch ein anderes fur den Fortschritt der Wissenschaft<br />

entscheidend.<br />

Fortschritt durch Revolutionen ist Kuhns Alternative zu dem kumulativen<br />

Fortschritt, der fur den Induktivismus charakteristisch ist. GemaB diesem Ansatz<br />

wachst wissenschaftliche Erkenntnis kontinuierlich, je mehr und verschiedenartigere<br />

Beobachtungen gemacht werden, die es ermoglichen, neue Konzepte zu formulieren,<br />

alte weiterzuentwickehi und neue gesetzmaBige Beziehungen zwischen<br />

ihnen zu entdecken. Von Kuhns Standpunkt aus ist dies f<strong>als</strong>ch, weil es die Rolle<br />

ignoriert, die ein Paradigma bei der Steuerung von Beobachtung und Experiment<br />

spielt. Gerade weil ein Paradigma einen derartig tiefgreifenden Einfluss auf die<br />

Wissenschaft hat, die in ihrem Rahmen betrieben wird, muss ein Paradigmenwechsel<br />

revolutionar sein.<br />

Eine weitere Funktion, die fur Kuhns Ansatz spricht, darf nicht unerwahnt<br />

bleiben. Wie oben bereits ausgefuhrt wurde, sind Kuhns Paradigmen nicht so

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