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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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flusst. Aus Kuhns Sicht ist es eine Aufgabe fur Forscher aus den Reihen der Soziologen<br />

und Psychologen, die Faktoren aufzudecken, warum Wissenschaftler einen<br />

Paradigmenwechsel vollziehen.<br />

Es gibt miteinander in Beziehung stehende Grtinde, wann und warum ein Paradigma<br />

mit einem anderen konkurriert; es gibt kein logisch zwingendes Argument,<br />

das vorschreibt, dass ein von der Vemunft geleiteter Wissenschaftler das<br />

eine ftir das andere aufgeben sollte. Es gibt kein einziges Kriterium, nach dem ein<br />

Wissenschaftler die Vorztige oder Moglichkeiten eines Paradigmas beurteilen<br />

muss, und femer erkennen Verfechter konkurrierender Programme unterschiedliche<br />

Standards an und sehen die Welt sogar auf unterschiedliche Weise, wie sie sie<br />

auch in unterschiedlichen Sprachen beschreiben. Das Ziel von Diskussionen und<br />

Streitgesprachen zwischen Anhangem rivalisierender Paradigmen sollte es vielmehr<br />

sein, zu iiberzeugen, anstatt den Gegner zu zwingen, den eigenen Standpunkt<br />

einzunehmen.<br />

Damit ist in dem vorangegangenen Abschnitt der Sachverhalt, der hinter<br />

Kuhns Aussage steht, dass rivalisierende Paradigmen inkommensurabel sind, zusammengefasst.<br />

Eine wissenschaftliche Revolution bedeutet die Preisgabe eines Paradigmas<br />

und die Obemahme eines neuen, nicht nur durch einen einzelnen Wissenschaftler,<br />

sondem durch die „Scientific community" <strong>als</strong> Ganzes. Wenn mehr und mehr einzelne<br />

Wissenschaftler aus unterschiedlichen Grtinden zu dem neuen Paradigma<br />

libergewechselt sind, gibt es eine „wachsende Verlagerung der fachwissenschaftlichen<br />

Bindungen" (Kuhn, 1979, S. 169). Wenn die Revolution erft)lgreich ist, dann<br />

wird sich diese Verlagerung ausbreiten, sodass sie die Mehrheit der „Scientific<br />

community" umfasst und nur noch ein paar Andersdenkende iibrig bleiben. Diese<br />

sind aus der neuen „Scientific community" ausgeschlossen und werden vielleicht<br />

in einem philosophischen Institut oder einer psychiatrischen Klinik Zuflucht suchen.<br />

Auf jeden Fall werden sie schlieBlich aussterben.<br />

8.5 Die Funktion von Normalwissenschaft und Revolutionen<br />

Gewisse Aspekte der kuhnschen Schriften mogen den Eindruck erwecken, dass<br />

seine Erklarung des Wesens von Wissenschaft rein deskriptiv ist, d.h., dass er<br />

nichts weiter anstreben wtxrde <strong>als</strong> die Beschreibung von wissenschaftlichen <strong>Theorien</strong><br />

oder Paradigmen sowie Aktivitaten von Wissenschaftlern. Ware dies der Fall,<br />

dann wiirde Kuhns Ansatz <strong>als</strong> Wissenschaftstheorie einen nur geringen Wert besitzen.<br />

Bevor der deskriptive Ansatz nicht durch eine Theorie erganzt wird, bietet<br />

er keine Richtlinien daftir, welche Aktivitaten und Ergebnisse beschrieben werden<br />

sollen. Insbesondere miissen die Aktivitaten und Ergebnisse derjenigen Wissenschaftler,<br />

ftir die ihre Arbeit primar Broterwerb ist, in genauso detaillierter Form<br />

dokumentiert werden, wie die Leistungen eines Einstein oder eines Galilei.<br />

Es ist jedoch ein Fehler, Kuhns Charakterisierung von Wissenschaft so zu<br />

betrachten, <strong>als</strong> sei sie allein aus der Beschreibung der Arbeit von Wissenschaftlern<br />

hervorgegangen. Kuhn betont, dass sein Ansatz eine Theorie der Wissenschaft<br />

darstellt, da er eine Erklarung der Funktion der unterschiedlichen Komponenten<br />

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