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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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genau umrissen, dass sie durch ein explizites System von Regeln ersetzt werden<br />

konnten. Verschiedene Wissenschaftler oder Forschergruppen mogen das Paradigma<br />

in etwas unterschiedlicher Weise interpretieren und anwenden. Mit der<br />

gleichen Situation konfrontiert, treffen nicht alle Wissenschaftler die gleiche Entscheidung<br />

oder wenden die gleiche Strategic an. Dies hat den Vorteil, dass die<br />

Anzahl an Strategien, die erprobt werden, sich vervielfaltigen. Risiken sind dementsprechend<br />

auf die gesamte „Scientific community" verteilt, und auf lange Sicht<br />

erhohen sich die Erfolgschancen. Wie sonst konnte die „Scientif!c community" <strong>als</strong><br />

Gruppe auf mehrere Moglichkeiten setzen? (vgl. Kuhn, 1974b, S. 233).<br />

8.6 Die Verdienste des kuhnschen Beitrags zur Wissenschaftstheorie<br />

Rein deskriptiv ist Kuhns Idee, dass wissenschaftliche Arbeit das Losen von Problemen<br />

innerhalb eines nicht infi-age gestellten Rahmens beinhaltet, sicher richtig.<br />

Bine Disziplin, in der Grundsatzliches immer wieder hinterfragt wird, wie es fur<br />

Poppers Methode der „Vermutungen und Widerlegungen" charakteristisch ist,<br />

wird kaum bemerkenswerte Fortschritte machen, weil Prinzipien nicht lange genug<br />

von Herausforderungen verschont bleiben, um fachwissenschaftliche Arbeit<br />

zu leisten. Es ist richtig, ein heroisches Bild Einsteins zu zeichnen, <strong>als</strong> eine Person,<br />

die wesentliche Fortschritte macht, indem sie die Originalitat und den Mut<br />

zeigt, einige der fimdamentalen Prinzipien der Physik infrage zu stellen. Man darf<br />

dabei aber nicht tibersehen, dass es 200 Jahre detaillierte Forschung innerhalb des<br />

newtonschen Paradigmas und 100 Jahre Forschung im Rahmen der <strong>Theorien</strong> zur<br />

Elektrizitat und des Magnetismus bedurfte, um die Probleme offen zu legen, die<br />

Einstein erkannte und mit seiner Relativitatstheorie loste. Es ist eher die Philosophic<br />

<strong>als</strong> die Wissenschaft, die durch das konstante LFben von Kritik an Grundsatzen<br />

einigermaBen gut charakterisiert werden kann.<br />

Vergleichen wir die Ansatze von Kuhn und Popper, um zu erfassen, in welchem<br />

Sinne sich die Astrologie von einer Wissenschaft unterscheidet, so ist es,<br />

wie Mayo (1996, Kap. 2) tiberzeugend darlegt, Kuhns Beitrag, der schlussiger ist.<br />

Aus einer popperschen Perspektive wird die Astrologie entweder <strong>als</strong> Nicht-Wissenschaft<br />

diagnostiziert, weil sie nicht f<strong>als</strong>ifizierbar ist, oder weil sie f<strong>als</strong>ifizierbar<br />

ist und sich <strong>als</strong> f<strong>als</strong>ch erwiesen hat. Ersteres ist nicht richtig, weil - wie Kuhn<br />

(1974a) deutlich macht - selbst in der Renaissance, <strong>als</strong> Astrologie emsthaft praktiziert<br />

wurde, Astrologen Vorhersagen trafen, die f<strong>als</strong>ifizierbar waren und tatsachlich<br />

haufig f<strong>als</strong>ifiziert wurden. Aber auch Letzteres genugt nicht, um der Astrologie<br />

den Status einer Wissenschaft abzusprechen, weil dies fur die Physik, die<br />

Chemie und die Biologic ebenso gelten wurde, da wir gesehen haben, dass alle<br />

Wissenschaften Schwierigkeiten mit problematischen Beobachtungen und experimentellen<br />

Resultaten haben. Kuhns Antwort besteht in dem Schluss, dass der<br />

Unterschied zwischen der Astronomic, um ein Beispiel herauszugreifen, und der<br />

Astrologie darin besteht, dass Astronomen in der Lage sind, aus Vorhersagefehlern<br />

zu lemen, Astrologen nicht. Astronomen konnen ihre Instrumentarien verfeinem,<br />

mogliche Storungen tiberprtifen, unentdeckte Planeten oder mangelnde<br />

Spharizitat des Mondes postulieren und so weiter, um dann detailliert daran zu<br />

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