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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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geben [sollte], wann die Anerkennung einer wissenschaftlichen Theorie verntinftig<br />

ist und wann nicht" (Lakatos, 1982d, S. 182f., Hervorhebung i. Orig.). Lakatos<br />

(1974, S. 170) stellt seine Methodologie <strong>als</strong> eine Losung dieser Probleme dar, die<br />

„uns <strong>als</strong>o helfen [konnte], Gesetze zu formulieren, zur Eindammung dieser intellektuellen<br />

Pollution" [Hervorhebung d. Hrsg.]. „Ich [Lakatos] gebe Kriterien des<br />

Fortschritts und der Stagnation innerhalb eines Programmes an sowie Regeln fiir<br />

die ,Elimination' ganzer Forschungsprogramme" (Lakatos, 1982b, S. 118). Es<br />

ergibt sich aus den Details seiner Position und seinen eigenen Anmerkungen zu<br />

diesen Details, dass die Methodologie von Lakatos nicht in der Lage war, diese<br />

Erwartungen zu erfiillen. Er gab keine Regeln far die Elimination ganzer Forschungsprogramme,<br />

da es vernunftig ist, an einem degenerierenden Forschungsprogramm<br />

in der Hoffnung festzuhalten, dass es em Comeback erlebt. Und wenn<br />

es wissenschaftlich war, an der kopemikanischen Theorie liber ein ganzes Jahrhundert<br />

festzuhalten, was notig war, bis die Theorie bedeutsame Frtichte trug,<br />

warum sollten zeitgenossische Marxisten (Lakatos' vorrangigste Zielscheiben)<br />

unwissenschaftlich sein, wenn sie den Historischen Materialismus so weit entwickeln,<br />

bis er bedeutsame Frtichte tragt. In der Tat hat Lakatos eingeraumt, dass<br />

seme Methodologie nicht in der Lage ist, irgendeine gegenwartige Theorie <strong>als</strong><br />

unwissenschaftliche „intellektuelle Pollution" zu diagnostizieren, sobald er im<br />

Zusammenhang mit der Physik erkannte, dass seine Methodologie allein im<br />

Nachhinein mit dem Vorteil historischer Betrachtung Urteile fallen kann. Wenn es<br />

keine „Augenblicks-Rationalitat" gibt, dann kann es auch keine „Augenblicks-<br />

Widerlegung" von Marxismus, Soziologie oder irgendeines anderen lakatosschen<br />

bete noir geben.<br />

Lakatos und seine Anhanger machten dies an Fallstudien zur Physik der<br />

letzten dreihundert Jahre deutlich. Aber wenn die auf diesem Weg untersttitzte<br />

Methodologie dann emgesetzt wird, um andere Bereiche zu beurteilen, wie den<br />

Marxismus und die Astrologie, wird bei alien untersuchten Bereichen - ohne dies<br />

explizit zu sagen - angenommen, dass sie, wenn sie <strong>als</strong> wissenschaftlich erachtet<br />

werden sollen, die grundlegenden Charakteristika der Physik aufweisen miissen.<br />

Feyerabend (1976) hat diesen Standpunkt von Lakatos kritisiert. Lakatos' Vorgehensweise<br />

birgt mit Sicherheit eine wichtige Frage, und es muss lediglich explizit<br />

gemacht werden, dass sie ein Problem offenbart. Es gibt offensichtliche Griinde,<br />

warum angenommen werden kann, dass eine Methodologie und MaBstabe zur<br />

Beurteilung der Physik fiir andere Bereiche nicht geeignet sind. Physik kann sich<br />

weiterentwickeln und tut dies auch oft, indem einzelne Mechanismen unter den<br />

kunstlichen Bedingungen eines kontrollierten Experiments isoliert werden. Die<br />

Schwerkraft, elektromagnetische Felder, die herrschenden Mechanismen beim<br />

Zusammenprall von Partikeln usw. sind Beispiele dafur. Menschen und Gesellschaften<br />

konnen im Allgemeinen nicht auf diese Art und Weise behandelt werden,<br />

ohne dass das zerstort wird, was untersucht werden soil. Damit lebende Systeme<br />

<strong>als</strong> solche funktionieren, bedarf es einer groBen Komplexitat. So kann sogar von<br />

der Biologic erwartet werden, dass sie einige wichtige Unterschiede zur Physik<br />

aufweist. In den Sozialwissenschaften stellt das Wissen, das sie produzieren, selbst<br />

eine wichtige Komponente der untersuchten Systeme dar. So kann zum Beispiel<br />

eine okonomische Theorie die Art und Weise beeinflussen, wie sich Individuen<br />

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