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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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zierteren und realistischeren Fallen iibergehen solle. Newton kam zuerst zu dem<br />

Gesetz, dass die Anziehung umgekehrt proportional zu dem Quadrat des Abstandes<br />

zweier Korper ist, indem er die ellipsenformige Bewegung eines „punktformigen"<br />

Planeten um eine feststehende „punktformige" Sonne betrachtete. Es war<br />

klar, dass falls die Gravitationstheorie in der Praxis auf die Planeten bezogen<br />

werden sollte, das Programm dieses idealisierten Modells sich zu einem realistischeren<br />

Modell weiterentwickeln musste. Aber diese Entwicklung hatte die Losung<br />

theoretischer Probleme zur Folge und konnte nicht ohne erhebliche theoretische<br />

Arbeit zustandegebracht werden. Newton selber machte mit einem bestimmten<br />

Programm vor Augen, d.h. geleitet von einer positiven Heuristik, einen<br />

betrachtlichen Fortschritt. Er zog zuerst die Tatsache in Betracht, dass sich sowohl<br />

eine Sonne <strong>als</strong> auch ein Planet unter dem Einfluss ihrer gegenseitigen Anziehung<br />

bewegen. Dann berticksichtigte er die endliche GroBe der Planeten und betrachtete<br />

sie <strong>als</strong> Kugeln. Nachdem er das mathematische Problem, das hierdurch auftrat,<br />

gelost hatte, ging Newton dazu uber, sich zum Beispiel auf solche problematischen<br />

Sachverhalte zu konzentrieren, die sich aus der Tatsache ergeben, dass ein<br />

Planet sich dreht und dass es sowohl eine Anziehungskraft zwischen den einzelnen<br />

Planeten <strong>als</strong> auch zwischen jedem Planeten und der Sonne gibt. Als Newton<br />

mit seinem Programm so weit fortgeschritten war und dabei einen Weg gegangen<br />

war, der sich gleich von Anfang an <strong>als</strong> mehr oder weniger notwendig dargestellt<br />

hatte, befasste er sich mit der Ubereinstimmung zwischen seiner Theorie und<br />

seinen Beobachtungen. Als sich herausstellte, dass es hierbei an tJbereinstimmung<br />

mangelte, konnte er sich zum Beispiel darauf beziehen, dass die entsprechenden<br />

Planeten nicht der idealen Kugelform entsprechen, usw. Neben dem theoretischen<br />

Programm, das in der positiven Heuristik enthalten ist, drangte sich ein eindeutig<br />

definiertes experimentelles Programm geradezu auf. Dieses Programm enthielt die<br />

Entwicklung von genaueren Femrohren mitsamt den Hilfshypothesen, die fur ihre<br />

Verwendung in der Astronomic erforderlich waren, wie beispielsweise <strong>Theorien</strong>,<br />

die die Brechung des Lichts in der Atmosphare benicksichtigten. Die ursprungliche<br />

Fassung des Programms von Newton implizierte, dass versucht werden sollte,<br />

einen Apparat zu konstruieren, der empfmdlich genug ist, um die Anziehungskraft<br />

der Erde auf einer Laborwaage zu messen (Experiment von Cavendish).<br />

Das Programm, das Newtons Bewegungsgesetze und sein Gravitationsgesetz<br />

zum harten Kern hat, bietet starke heuristische Richtlinien. Sie bestehen in der<br />

Planung eines defmitiven Programms von Anfang an. Lakatos (1974, S. 137ff.)<br />

gibt mit der Entwicklung von Bohrs Atomtheorie ein weiteres Beispiel fur die<br />

Anwendung einer positiven Heuristik. Was bei diesen Beispielen der Entwicklung<br />

eines Forschungsprogramms besonders auffallt, ist das verhaltnismaBig spate<br />

Stadium, in dem Beobachtungsuberpriifimgen relevant werden. Dies steht im<br />

Einklang mit den Erlauterungen uber Galileis Entwicklung der Ursprtinge der<br />

Mechanik im vorigen Kapitel. Trotz offensichtlicher F<strong>als</strong>ifikationen durch Beobachtungen<br />

wird zunachst an einem Forschungsprogramm festgehalten. Einem Forschungsprogramm<br />

muss die Gelegenheit gegeben werden, seine gesamte Leistungsfahigkeit<br />

unter Beweis zu stellen. Ein ausreichend raffmierter und geeigneter<br />

Schutzgiirtel muss entwickelt werden. Bezogen auf das Beispiel des kopernikanischen<br />

Programms beinhaltete dies die Entwicklung einer angemessenen Mecha-

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