8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2
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Grundlage fiir diese Strategic. An einem historischen Beispiel, das Howson und<br />
Urbach (1989, S. 87-102) heranziehen, soli dies deutlich gemacht werden.<br />
Das Beispiel bezieht sich auf eine Hypothese, die 1815 von William Prout<br />
vertreten wurde. Beeindruckt von der Tatsache, dass Atomgewichte chemischer<br />
Elemente, bezogen auf das Atomgewicht von Wasserstoff, immer naherungsweise<br />
ganzzahlig sind, vermutete Prout, dass die Atome von Elementen aus verschiedenen<br />
Anzahlen von Wasserstoffatomen bestehen. Prout konstatierte, dass Wasserstoffatome<br />
elementare Bausteine darstellen. Die Frage ist nun, was die rationale<br />
Antwort von Prout und seinen Anhangem war, <strong>als</strong> herausgefunden wurde, dass<br />
das Atomgewicht von Chlor relativ zu Wasserstoff (gemessen 1815) bei 35,83,<br />
<strong>als</strong>o keiner ganzen Zahl, lag. Die bayessche Strategic liegt darin, Wahrscheinlichkeiten<br />
Werte zuzuweisen, die die Priorwahrschcinlichkeiten, die Prout und seine<br />
Anhanger ihrer Theoric zugeschrieben haben konnten sowie relevante Aspekt des<br />
Hintergrundwissens, zu berilcksichtigen. Auf dieser Basis wird das bayessche<br />
Theorem eingesetzt, um zu berechnen, wie sich diese Wahrscheinlichkeiten andem,<br />
wenn problematische Befunde auftreten - in diesem Fall das nicht ganzzahlige<br />
Atomgewicht von Chlor. Howson und Urbach versuchen, zu zeigen, dass das<br />
Resultat einer solchen Vorgehensweise darin besteht, dass die Wahrscheinlichkeit<br />
der proutschen Hypothese nur wenig fallt, wahrend die Wahrscheinlichkeit, dass<br />
die relevanten Messungen genau sind, dramatisch nachlasst. In diesem Licht erscheint<br />
es durchaus verntinftig, dass Prout seine Hypothese (den harten Kern)<br />
beibehielt und die Schuld bei einigen Aspekten des Messvorgangs (dem Schutzgurtel)<br />
suchte. Es scheint, dass damit dem, was in der Methodologie Lakatos'<br />
ohne dies naher zu begrtinden <strong>als</strong> „methodologische Entscheidungen" bezeichnet<br />
wird, eine logische Grundlage gegeben wird. Dartiber hinaus scheint es, <strong>als</strong> hatten<br />
Howson und Urbach, die sich Dorling anschlossen, eine generelle Losung des<br />
„Duheme-Quine-Problems" gefunden. Konfrontiert mit dem Problem, welchem<br />
Teil eines Netzes von Annahmen die Schuld an einer auftretenden F<strong>als</strong>ifikation<br />
gegeben werden soil, lautet die bayessche Antwort, die Priorwahrschcinlichkeiten<br />
einzusetzen und die Posteriorwahrscheinlichkeiten zu berechnen. Daraus ergibt<br />
sich, welche Annahmen zu einem starken Rtickgang der Wahrscheinlichkeiten<br />
fiihren und damit, welche Annahmen fallen gelassen werden sollen, um den zukiinftigen<br />
Erfolg zu maximieren.<br />
Ich will nicht auf die Details der Berechnungen zum Fall Prout oder irgendeines<br />
anderen Beispiels der Bayesianer eingehen, aber ich will doch wenigstens<br />
einen kurzen Eindruck von dem Weg, den sie beschreiten, geben. Prouts Hypothese<br />
h und der Effekt des Befiindes e, dem nicht ganzzahligen Atomgewicht von<br />
Chlor, auf die Wahrscheinlichkeit, die dieser Hypothese zugewiesen wird, muss<br />
im Kontext des verfligbaren Hintergrundwissens a beurteilt werden. Die relevantesten<br />
Aspekte des Hintergrundwissens sind das Vertrauen in die verfiigbaren Techniken<br />
zur Bestimmung des Atomgewichts und der Reinheitsgrad der verwendeten<br />
Chemikalien. Schatzungen fur die Eingangswahrscheinlichkeiten von h, a und e<br />
mtissen vorgenommen werden. Howson und Urbach nahmen fur P(h) einen Wert<br />
von 0,9 an. Dabei gingen sie von der historischen Tatsache aus, dass die Proutianer<br />
von ihrer Hypothese sehr liberzeugt waren. Sie setzten P(a) auf den etwas<br />
niedrigeren Wert 0,6, weil sich die Chemiker des Problems von Unreinheiten<br />
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