8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2
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Meinung ist, dass Kuhn nicht zwischen legitimen und illegitimen Arten - zum<br />
Beispiel das Toten eines Widersachers - zur Erlangung von Konsens unterscheidet.<br />
Er halt den Appell an einen Konsens auch nicht fur geeignet, um zwischen der<br />
Wissenschaft und anderen Aktivitaten, wie der Theologie und dem organisierten<br />
Verbrechen, zu unterscheiden.<br />
Feyerabend konstatierte das Scheitem der Versuche, die spezifischen Merkmale<br />
von Wissenschaft zu beschreiben, die sie anderen Formen der Erkenntnis<br />
liberlegen macht. Dies flihrte ihn zu dem Schluss, dass der hohe Status, der der<br />
Wissenschaft in unserer Gesellschaft zugewiesen wird und die Uberlegenheit, die<br />
ihr zum Beispiel gegenuber dem Marxismus oder solchen Dingen wie der schwarzen<br />
Magie oder dem Voodoo eingeraumt wird, nicht gerechtfertigt ist. Nach<br />
Feyerabend ist die Hochachtung gegentiber der Wissenschaft ein gefahrliches<br />
Dogma, das eine repressive Rolle spielt, ahnlich der, die er der Kirche des 17.<br />
Jahrhunderts zuschreibt. Im Blick hat er dabei Aspekte wie Galileis Kampf mit<br />
eben dieser Institution.<br />
10.3 Feyerabends Eintreten fiir Freiheit<br />
Feyerabends Theorie ist eingebunden in einen ethischen Rahmen, der der individuellen<br />
Freiheit einen hohen Stellenwert einraumt und eine Grundhaltung beinhaltet,<br />
die Feyerabend (1983, S. 17) <strong>als</strong> „humanitare Einstellung" beschreibt.<br />
Demnach soil der einzelne Mensch frei sein, wobei es Feyerabend um die Freiheit<br />
in dem vom im 19. Jahrhundert lebenden John Stuart Mill in seinem Essay ,,On<br />
Liberty" dargestellten Sinne geht. Feyerabend (1983, S. 17) bejaht den Versuch,<br />
„die Freiheit aus[zu]weiten, [um] ein erftilltes und befriedigendes Leben" zu<br />
fiihren und unterstutzt Mills Eintreten ftir die „Forderung der Individualitat, die<br />
alleine wohlentwickelte Menschen erzeugt, erzeugen kann" (zit. nach Feyerabend,<br />
1983, S. 17). Aus diesem humanitaren Blickwinkel propagiert Feyerabend seinen<br />
anarchistischen Beitrag zur Wissenschaft, weil er die Freiheit des Wissenschaftlers<br />
vergroBert, indem er ihn von methodologischen Einschrankungen befreit. Noch<br />
allgemeiner lasst er Individuen die Freiheit, zwischen Wissenschaft und anderen<br />
Formen der Erkenntnis zu wahlen.<br />
Aus Feyerabends Perspektive ist die Institutionalisierung der Wissenschaft in<br />
unserer Gesellschaft nicht vereinbar mit einer humanitaren Grundhaltung. In<br />
Schulen zum Beispiel wird wie selbstverstandlich Wissenschaft gelehrt. „Die<br />
Eltern eines sechsjahrigen Kindes konnen entscheiden, ob ihm die Grundlagen des<br />
Protestantismus oder des Judentums oder uberhaupt keine Religion vermittelt werden<br />
soil, aber auf dem Gebiet der Wissenschaften haben sie kein solches Recht.<br />
Physik, Astronomic, Geschichte mussen gelernt werden. Sie konnen nicht durch<br />
Magie, Astrologie oder das Studium von Sagen ersetzt werden" (Feyerabend,<br />
1983, S. 386). Es gibt eine Trennung von Staat und Kirche, aber keine Trennung<br />
von Staat und Wissenschaft. Was in diesem Zusammenhang nach Feyerabend<br />
(1983, S. 395) getan werden muss, ist, „die Gesellschaft aus dem Wurgegriff einer<br />
ideologisch erstarrten Wissenschaft [zu befi-eien], genau wie unsere Vorfahren uns<br />
aus dem Wurgegriff der ,einen wahren Religion' befreit haben". In Feyerabends