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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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Beispiel sein Spektrum, zu erhalten, wird es behandelt <strong>als</strong> ein negativ geladenes<br />

Elektron, das sich im Umfeld eines positiv geladenen Protons bewegt, ganz isoliert<br />

von seiner Umgebung. Kein reales Wasserstoffatom ist jem<strong>als</strong> von seiner<br />

Umgebung isoliert. Carnotsche Kreisprozesse und ideale Gase sind andere Idealisiemngen,<br />

die, ohne liber ein Pendant in der realen Welt zu verfugen, eine entscheidende<br />

Rolle in der Wissenschaft spielen. SchlieBlich stellen wir aus der Perspektive<br />

des Realisten fest, dass die Parameter zur Charakterisierung von Systemen<br />

dieser Welt, wie die Position und die Geschwindigkeit eines Planeten oder<br />

die Ladung eines Elektrons, bei den exakten mathematischen Berechnungen so<br />

behandelt werden, <strong>als</strong> seien sie absolut prazise. Experimentelle Messungen dagegen<br />

sind immer mit einem gewissen Fehler behaftet, sodass eine gemessene<br />

Quantitat immer <strong>als</strong> x ± dx bezeichnet wird, wobei dx den Fehlerspielraum bezeichnet.<br />

Grundsatzlich wird daher angenommen, dass theoretische Beschreibungen<br />

auf unterschiedliche Arten Idealisierungen sind, die nicht mit der realen Welt<br />

korrespondieren konnen.<br />

Meine eigene Sichtweise ist, dass Idealisierungen in der Wissenschaft den<br />

Realismus nicht - wie oft vermutet - vor Probleme stellt. Aus den ohne Zweifel<br />

vorhandenen Ungenauigkeiten aller experimentellen Messungen folgt nicht, dass<br />

die gemessenen Quantitaten keine prazisen Werte besaBen. Ich wiirde zum Beispiel<br />

behaupten, dass wir in der Physik gute Belege daftir haben, dass die Ladungen<br />

von Elektronen, abgesehen von der Ungenauigkeit der Messungen dieser<br />

Ladungen, absolut identisch sind. Viele makroskopische Eigenschaften, wie die<br />

Leitfahigkeit von Metall und die Spektren von Gasen, hangen davon ab, dass<br />

Elektronen wegen dieser deutlich ausgepragten Gleichheit vielmehr der Fermi-<br />

Dirac-Statistik <strong>als</strong> einer klassischen Boltzmann-Verteilung gehorchen. Dieses Beispiel<br />

mag zwar nicht geeignet sein, einen Anti-Realisten zu beeindrucken, der das<br />

Elektron <strong>als</strong> Fiktion betrachtet. Ich telle jedoch die Meinung von Hacking, dass<br />

die alltagliche experimentelle Beeinflussung von Elektronen den Standpunkt der<br />

Anti-Realisten ad absurdum flihrt.<br />

Im Lichte der im letzten Kapitel gefiihrten Diskussion uber die Natur von<br />

Gesetzen ergibt sich eine sehr aufschlussreiche Sichtweise von Idealisierungen.<br />

Dort wurde unterstellt, dass eine allgemeine Klasse von Gesetzen die Krafte, Tendenzen<br />

etc. einzelner Dinge beschreibt, sich auf bestimmte Art und Weise zu<br />

verhalten. Es wurde betont, dass von den beobachtbaren Sequenzen von Ereignissen<br />

nicht erwartet werden kann, dass diese das wirkliche Agieren dieser Krafte<br />

und Tendenzen widerspiegeln, weil die Systeme, in denen sie operieren, typischerweise<br />

komplex sind und die simultanen Operationen anderer Krafte und<br />

Tendenzen mit einschlieBen. Wie sorgfaltig auch immer wir zum Beispiel die<br />

Messung der Ablenkung von Kathodenstrahlen durchflihren mogen, wir werden<br />

nie imstande sein, die Gravitationseinwirkung naher Massen auf die Elektronen,<br />

den Einfluss des Erdmagnetfeldes usw. zu eliminieren. In dem MaBe, in dem<br />

akzeptiert werden kann, dass der Kausalitatsanspruch von Gesetzen dort fur wissenschaftliche<br />

Gesetze einen Sinn ergibt, wo sie keine bloBen Regeln darstellen,<br />

miissen wir Gesetze <strong>als</strong> Beschreibungen kausaler Krafte verstehen, die, kombiniert<br />

mit anderen Kraften, hinter den Erscheinungen wirken und Ereignisse oder Ereignisfolgen<br />

hervorbringen, die beobachtbar sind. Der kausale Ansatz ist damit<br />

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