8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2
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sein konnen (es sei hier daran erinnert, dass extrem kalte Flussigkeiten die Aussage<br />
widerlegen konnen, dass Flussigkeiten nicht nach oben flieBen konnen), und<br />
im vorangegangenen Abschnitt wurde eine Veranderung von Methoden und MaBstaben<br />
beschrieben. Ein Beispiel dafiir, dass auch die Details von Zielen Veranderungen<br />
unterliegen konnen, soil im folgenden Abschnitt gezeigt werden.<br />
Die experimentelle Arbeit von Robert Boyle wird zu Recht <strong>als</strong> der Hauptbeitrag<br />
zur wissenschaftlichen Revolution des 17. Jahrhunderts gesehen. Zwei sich<br />
widersprechende Aspekte der Arbeit Boyles konnen unterschieden werden, die in<br />
gewisser Weise die neue und die alte Herangehensweise der Wissenschaft reprasentieren.<br />
In seinen eher philosophischen Schriften tritt Boyle ftir die „mechanische<br />
Philosophie" ein. Nach dieser Philosophic besteht die Welt aus Materieteilchen,<br />
sogenannte Korpuskeln. Es wird <strong>als</strong> offensichtlich angenommen, dass nur<br />
diese eine Art der Materie existiere. Sichtbare Objekte bestehen aus Arrangements<br />
mikroskopischer Korpuskeln, und die Veranderung von Objekten wird <strong>als</strong> Umarrangieren<br />
dieser Korpuskeln verstanden. Die einzigen Eigenschaften von Korpuskeki<br />
sind ihre spezifische GroBe, Form und Bewegung sowie ihre Undurchdringlichkeit,<br />
durch die sich Materie vom leeren Raum unterscheidet. Die Bewegung<br />
eines Korpuskels verandert sich, wenn es mit anderen kollidiert, und dieser Mechanismus<br />
ist die Quelle aller Aktivitat und jeder Veranderung in der Natur. Die<br />
Erklarung physikalischer Prozesse besteht im Zurtickverfolgen des Prozesses auf<br />
Bewegung, Kollision und Umstrukturierung der beteiligten Korpuskeln. Indem er<br />
diese Sichtweise formulierte, schloss sich Boyle der neuen mechanischen Sichtweise<br />
der Welt an, die <strong>als</strong> geeignete Nachfolgerin der aristotelischen angesehen<br />
wurde. Adaquate Erklarungen waren hier ultimative Erklarungen, Letztbegrundungen.<br />
Sie bezogen sich auf Form, GroBe, Bewegung und Kollision von Korpuskeln,<br />
die ihrerseits <strong>als</strong> etwas betrachtet wurden, das keiner Erklarung bedurfte.<br />
Aus diesem Blickwinkel ist damit das Ziel von Wissenschaft das Schaffen ultimativer,<br />
letztbegriindender Erklarungen.<br />
Neben seinem Eintreten ftir die mechanische Philosophie nahm Boyle Experimente,<br />
im Besonderen in der Pneumatik und der Chemie, vor. Wie einige AuBerungen<br />
Boyles implizieren, erbrachten seine Experimente nicht den Erft)lg, den die<br />
mechanische Philosophie ft)rderte. Boyles Experimente zur Physik der Luft, im<br />
Speziellen diejenigen mit einer Pumpe, die es moglich machten, einen GroBteil<br />
der Luft aus einer Glaskammer zu entfernen, ftihrten dazu, dass Boyle eine Reihe<br />
von Phanomenen, wie das Verhalten von Barometern innerhalb und auBerhalb des<br />
Vakuums, mittels des Gewichts und der Elastizitat der Luft erklarte. Er schlug<br />
sogar eine Version des Gesetzes vor, das Druck und Volumen einer Gasmasse<br />
miteinander verknupft und das seinen Namen tragt. Seine Ausftihrungen waren<br />
jedoch keine wissenschaftlichen Erklarungen aus mechanischer Sichtweise, weil<br />
sie nicht in letzter Konsequenz begrtindet waren. Sich auf Gewicht und Elastizitat<br />
zu beziehen, war nicht akzeptabel, bevor diese Eigenschaften nicht selbst in Begriffen<br />
der Korpuskularmechanik erklart werden konnten. Es erixbrigt sich, darauf<br />
hinzuweisen, dass Boyle nicht in der Lage war, diesen Anspruch zu erftillen.<br />
Allenfalls wurde anerkannt, dass sich Boyles experimentelle Wissenschaft um<br />
Erklarungen bemuhte, die sowohl niitzlich <strong>als</strong> auch zu jener Zeit erreichbar waren.<br />
Dagegen wurden mechanische Erklarungen im strengen Sinn <strong>als</strong> nicht erreichbar<br />
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