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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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beziiglich des Problems, dass er, anders <strong>als</strong> Lakatos, leugnete, dass ein Vergleich<br />

mit der Wissenschaftsgeschichte ein legitimer Weg der Argumentation fiir eine<br />

Wissenschaftsphilosophie sei.<br />

Ich bin der Meinung, dass das Wesentliche der von Lakatos in seinem Text<br />

von 1978 (dt. 1982b) beschriebenen Position Folgendes ist: Es gibt Episoden der<br />

Wissenschaftsgeschichte, die ohne Probleme und ohne anspruchsvolle Wissenschaftsphilosophien<br />

<strong>als</strong> progressiv erkannt werden konnen. Leugnet jemand, dass<br />

Galileis Physik einen Fortschritt gegeniiber der aristotelischen oder dass Einstein<br />

einen Fortschritt gegeniiber Newton darstellt, verwendet er oder sie einfach den<br />

Begriff der Wissenschaft anders <strong>als</strong> allgemein tiblich. Setzt man sich mit der Frage<br />

auseinander, wie Wissenschaft am besten kategorisiert werden kann, benotigt man<br />

zur Formulierung dieser Frage einige vor-wissenschaftliche Vorstellungen davon,<br />

was Wissenschaft ist. Diese vor-wissenschaftlichen Vorstellungen beinhalten die<br />

Fahigkeit, klassische Beispiele zentraler wissenschaftlicher Erft)lge wie die von<br />

Galilei und Einstein zu erkennen. Erst vor dem Hintergrund dieser Vorannahmen<br />

kann geft)rdert werden, dass jede Wissenschaftsphilosophie oder -methodologie<br />

mit diesen kompatibel sein muss. Das bedeutet, dass jede Wissenschaftsphilosophie<br />

in der Lage sein muss, zu erfassen, in welchem Sinne Galileis Erft)lge in der<br />

Astronomic und der Physik im GroBen und Ganzen bedeutende Fortschritte darstellten.<br />

Erbringt die Wissenschaftsgeschichte, dass Galilei den Begriff der beobachtbaren<br />

Tatsachen neu defmierte und dass er sich bezuglich seiner Mechanik<br />

eher auf Gedankenexperimente verlieB <strong>als</strong> auf tatsachlich durchgeftihrte Experimente,<br />

dann stellt dies bestimmte philosophische Schulen vor ein Problem. Betroffen<br />

sind die Schulen, die wissenschaftlichen Fortschritt in dem Sinne <strong>als</strong> kumulativ<br />

darstellen, <strong>als</strong> er durch das Sammeln beobachtbarer Tatsachen zustandekommt,<br />

von denen dann vorsichtige Generalisierungen abgeleitet werden. Lakatos fruhe<br />

Version seiner Methodologie von Forschungsprogrammen kann dahingehend kritisiert<br />

werden, dass dort ein Begriff der neuartigen Vorhersagen benutzt wird, der<br />

es unmoglich macht zu erfassen, in welchem Sinne Kopernikus Astronomic progressiv<br />

war.<br />

Mittels dieser Argumentationslinie fahrt Lakatos fort, positivistische und f<strong>als</strong>ifikationistische<br />

Methodologien zu kritisieren, weil sie einige klassische Episoden<br />

wissenschaftlichen Fortschritts nicht erklaren konnen. Im Gegensatz dazu<br />

argumentiert er, dass sein eigener Beitrag diese Schwache nicht aufweist. Bezogen<br />

auf weniger wichtige Episoden der Wissenschaftsgeschichte kann sich Lakatos<br />

oder einer seiner Anhanger Episoden herauspicken, die Historiker und Philosophen<br />

vor Ratsel gestellt haben, und zeigen, wie sie aus dem Blickwinkel der Methodologie<br />

von Forschungsprogrammen erklart werden konnen. Zum Beispiel<br />

waren einige von der Tatsache verwirrt, dass Thomas Young, <strong>als</strong> er im filihen 19.<br />

Jahrhundert die Wellentheorie des Lichts vorstellte, nur wenig Anhanger fand,<br />

wahrend die zwei Dekaden spater von Fresnel entwickelte Version auf breite<br />

Akzeptanz stieB. In historischer Hinsicht unterstUtzt Worrall (1976) Lakatos'<br />

Position, indem er zeigt, dass historisch belegt werden kann, dass Youngs Theorie<br />

auf nattirlichem (im Gegensatz zu einem sehr arrangierten) Weg nicht in strengem<br />

Sinne experimentell belegt werden konnte. Bei Fresnel dagegen war dies der Fall.<br />

Gleichzeitig wies Fresnels Version der Wellentheorie durch die von ihm vorge-

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