8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2
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dieser Wolke und beantragt ein Forschungsstipendium, um einen<br />
Satelliten zur Uberpriifung seiner Berechnungen abzusenden. Vermogen<br />
die Instmmente des Satelliten (damnter vollig neue, die auf<br />
wenig gepruften <strong>Theorien</strong> beruhen) die Existenz der vermuteten<br />
Wolke zu registrieren, dann erblickt man in diesem Ergebnis einen<br />
glanzenden Sieg der Newtonschen Wissenschaft. Aber die Wolke<br />
wird nicht gefunden. Gibt unser Wissenschaftler Newtons Theorie,<br />
seine Idee des storenden Planeten und die Idee der Wolke, die ihn<br />
verbirgt, auf? Nein! Er schlagt vor, dass es im betreffenden Gebiet<br />
des Universums ein magnetisches Feld gibt, das die Instrumente des<br />
Satelliten gestort hat. Ein neuer Satellit wird ausgesandt. Wird das<br />
magnetische Feld gefunden, so feiem Newtons Anhanger einen sensationellen<br />
Sieg. Aber das Resultat ist negativ. Gilt dies <strong>als</strong> eine<br />
Widerlegung der Newtonschen Wissenschaft? - Nein. Man schlagt<br />
entweder eine neue, noch spitzfmdigere Hilfshypothese vor, oder ...<br />
die ganze Geschichte wird in den staubigen Banden der wissenschaftlichen<br />
Annalen begraben, vergessen und nie mehr erwahnt.<br />
Wenn man diese Geschichte <strong>als</strong> durchaus plausibel betrachtet, dann illustriert sie<br />
hervorragend, wie eine Theorie immerzu vor der F<strong>als</strong>ifikation bewahrt werden<br />
kann, indem die F<strong>als</strong>ifikation einfach auf einige andere Bereiche des komplexen<br />
Netzwerkes von Annahmen gelenkt wird.<br />
7.2 Die Unzulanglichkeit des F<strong>als</strong>ifikationismus vor dem Hintergrund<br />
historischer Beispiele<br />
Eine fur den F<strong>als</strong>ifikationisten etwas peinliche historische Tatsache ist die, dass<br />
gerade jene <strong>Theorien</strong>, die allgemein zu den besten wissenschaftlichen <strong>Theorien</strong><br />
gezahlt werden, niem<strong>als</strong> entwickelt worden waren, wenn sich Wissenschaftler<br />
strikt an die f<strong>als</strong>ifikationistische Methodologie gehalten hatten. Sie waren bereits<br />
in ihren Anfangen widerlegt worden. Welche klassische wissenschaftliche Theorie<br />
man auch <strong>als</strong> Beispiel heranzieht, man kann - ob zu dem Zeitpunkt, zu dem sie<br />
zum ersten Mai vorgeschlagen wurde oder zu einem spateren Zeitpunkt - Beobachtungsaussagen<br />
finden, die zu dieser Zeit allgemein anerkannt waren, die aber<br />
mit der Theorie <strong>als</strong> unvereinbar angesehen wurden. Dennoch wurden diese <strong>Theorien</strong><br />
nicht verworfen, was man fur die Wissenschaft <strong>als</strong> einen glucklichen Umstand<br />
betrachten muss. Einige historische Beispiele, die diesen Sachverhalt belegen,<br />
seien im Folgenden angefiihrt.<br />
In ihrem Anfangsstadium wurde Newtons Gravitationstheorie durch Beobachtungen<br />
der Umlaufbahn des Mondes f<strong>als</strong>ifiziert. Es dauerte fast funfzig Jahre,<br />
um diese F<strong>als</strong>ifikation auf andere Ursachen <strong>als</strong> auf Newtons Theorie zurUckzufiihren.<br />
Spater wurde bekannt, dass dieselbe Theorie mit naheren Einzelheiten der<br />
Umlaufbahn des Planeten Merkur im Widerspruch stand. Auch diesmal wurde die<br />
Theorie deswegen nicht vollig aufgegeben. Es stellte sich heraus, dass es niem<strong>als</strong><br />
moglich war, diese F<strong>als</strong>ifikation in einer Weise zu erklaren, die Newtons Theorie<br />
absicherte.