8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2
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schreibungen uberprufen, indem wir mit der Welt interagieren. Wir erfahren<br />
etwas iiber die Welt nicht nur, indem wir sie beobachten und beschreiben, sondern<br />
indem wir mit ihr in Interaktion treten. Wie in Kapitel 1 beschrieben, ist die Konstruktion<br />
von notwendigerweise linguistisch formulierten Aussagen iiber die Welt<br />
etwas anderes, <strong>als</strong> die Frage, ob sie wahr oder f<strong>als</strong>ch sind. Dem Wahrheitsbegriff<br />
wird im Rahmen der Realismusdebatte oft eine entscheidende Bedeutung beigemessen,<br />
sodass die Diskussion des Begriffs erforderlich ist.<br />
Die Wahrheitstheorie, die den Bedtirfhissen von Realisten am besten dient,<br />
ist die Korrespondenztheorie der Wahrheit}^ Die generelle Idee ist einfach und<br />
kann in allgemein bekannten Begriffen dargestellt werden, was sie beinahe etwas<br />
trivial erscheinen lasst. Nach der Korrespondenztheorie ist nur das wahr, was mit<br />
Tatsachen korrespondiert. Der Satz „Die Katze liegt auf der Matratze" ist wahr,<br />
wenn die Katze auf der Matratze liegt und f<strong>als</strong>ch, wenn sie es nicht tut. Bin Satz<br />
ist wahr, wenn Dinge so sind, wie es der Satz besagt, andemfalls ist er f<strong>als</strong>ch.<br />
Eine Schwierigkeit dieses Wahrheitsbegriffes liegt in der Leichtigkeit, mit<br />
dem er zu Paradoxien ftihren kann. Ein Beispiel hierfur bietet die sogenannte<br />
Lugner-Paradoxie. Wenn ich behaupte „Ich sage nie die Wahrheit", dann ist das,<br />
was ich gesagt habe, f<strong>als</strong>ch, wenn das, was ich behauptet habe, wahr ist! Ein anderes<br />
Beispiel lautet folgendermaBen: Stellen wir uns eine Karte vor, auf deren einen<br />
Seite geschrieben steht: „Der Satz auf der Rtickseite dieser Karte ist wahr", wahrend<br />
auf der anderen Seite steht: „Der Satz auf der Rtickseite ist f<strong>als</strong>ch". Nach<br />
einer kurzen Zeit des Nachdenkens kommen wir zu dem paradoxen Schluss, dass<br />
beide Satze entweder f<strong>als</strong>ch oder wahr sind.<br />
Der Logiker Alfred Tarski demonstrierte, wie fixr ein denkbar einfaches<br />
Sprachsystem Paradoxien vermieden werden konnen. Der entscheidende Schritt<br />
bestand in seiner Betonung der sorgfaltigen Unterscheidung zwischen Satzen des<br />
Sprachsystems, die etwas iiber Objekte aussagen, die „Objektsprache", und Satzen<br />
des Sprachsy stems, in der wir etwas iiber die Objektsprache aussagen, die „Metasprache",<br />
wenn wir Aussagen iiber die „Wahrheit" oder „F<strong>als</strong>chheit" von Satzen<br />
in irgendeiner Sprache machen. Folgen wir Tarski, dann miissen wir in Bezug auf<br />
die Kartenparadoxie entscheiden, ob die Satze auf der Karte zu dem Sprachsystem<br />
gehoren, uber das man spricht, oder zu dem Sprachsystem, in dem man spricht.<br />
Folgt man der Regel, dass jeder Satz entweder der Objekt- oder der Metasprache<br />
angehort, niem<strong>als</strong> jedoch beiden, dann kann sich keiner der beiden Satze gleichzeitig<br />
auf den jeweils anderen Satz beziehen, und es entsteht keine Paradoxic.<br />
Die grundlegende Idee von Tarskis Korrespondenztheorie liegt folglich darin,<br />
dass wir, wenn wir uber die Wahrheit eines Satzes einer bestimmten Sprache<br />
sprechen, eine iibergeordnete Sprache brauchen, die Metasprache, in der wir uns<br />
sowohl auf Satze der Objektsprache <strong>als</strong> auch auf die Tatsachen, mit denen die<br />
Satze der Objektsprache korrespondieren sollen, beziehen konnen. Tarski musste<br />
daruber hinaus nachweisen konnen, wie der Korrespondenzbegriff der Wahrheit<br />
systematisch fiir alle Satze der Objektsprache so entwickelt werden kann, dass<br />
Paradoxien vermieden werden. Dies war insofern eine technisch schwierige Aufgabe,<br />
weil es in jeder Sprache, die man untersucht, eine unendliche Zahl von Sat-<br />
^^ Auch „Adaquationstheorie" (Anm. d. Hrsg.)<br />
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