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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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Die Art des SchlieBens im bayesschen Ansatz wird <strong>als</strong> objektiv dargestellt,<br />

wobei auf der Grundlage gegebener Untersuchungsbefunde Priorwahrscheinlichkeiten<br />

in Posteriorwahrscheinlichkeiten transformiert werden. Aus dieser Sichtweise<br />

folgt, dass unterschiedliche Standpunkte von Vertretem rivalisierender<br />

Forschungsprogramme, Paradigmen oder was auch immer, die die Posterior-<br />

(Uberzeugungen) von Wissenschaftlern widerspiegeln, auf den Priorwahrscheinlichkeiten<br />

dieser Wissenschaftler basieren mtissen, da die Befunde <strong>als</strong> gegeben<br />

hingenommen werden und das SchlieBen <strong>als</strong> objektiv erachtet wird. Die Priorwahrscheinlichkeiten<br />

sind jedoch subjektiv und nicht Gegenstand kritischer Analysen.<br />

Sie reflektieren das unterschiedliche AusmaB der Uberzeugung individueller<br />

Wissenschaftler. In der Folge werde diejenigen, die nach den relativen Verdiensten<br />

konkurrierender <strong>Theorien</strong> fragen und danach, in welchem Sinne gesagt<br />

werden kann, dass Wissenschafl voranschreitet, vom subjektiven Bayesianismus<br />

keine Antworten erhalten, auch wenn sie mit einer Antwort, die sich auf Uberzeugungen<br />

individueller Wissenschaftler bezieht, durchaus zufirieden sind.<br />

Wenn der subjektive Bayesianismus den Schliissel zum Verstandnis der Wissenschaft<br />

und ihrer Geschichte darstellt, ist seine wichtigste Informationsquelle<br />

zum Erwerb dieses Verstandnisses das AusmaB an Uberzeugung, das Wissenschaftler<br />

haben oder hatten (die andere Quelle sind die oben diskutierten Untersuchungsbefunde).<br />

So erfordert zum Beispiel das Verstehen der tJberlegenheit der<br />

Wellentheorie uber die Teilchentheorie des Lichts einiges an Wissen dartiber, wie<br />

uberzeugt Fresnel und Poisson von dem Wissen waren, das sie in die Debatte der<br />

frlihen 30er Jahre des 18. Jahrhunderts einbrachten. Es gibt dabei zwei Probleme.<br />

Das eine liegt darin, Zugang zu diesen privaten Uberzeugungen zu erhalten (es sei<br />

daran erinnert, dass Howson und Urbach zwischen privaten Uberzeugungen und<br />

Verhalten unterscheiden und darauf beharren, dass sich ihr Ansatz auf Erstere<br />

bezieht, sodass wir von dem, was Wissenschaftler tun oder sogar schreiben, nicht<br />

auf ihre Uberzeugungen schlieBen konnen). Das zweite Problem ist die mangelnde<br />

Plausibilitat des Gedankens, dass wir den Zugang zu privaten LFberzeugungen<br />

benotigen, um zu erfassen, in welchem Sinne zum Beispiel die Wellentheorie des<br />

Lichts eine Verbesserung gegentiber ihrer Vorgangerin darstellt. Das Problem<br />

verscharft sich, wenn wir das AusmaB an Komplexitat modemer Wissenschaft und<br />

den Umfang, in dem sie gemeinsamer Arbeit bedarf, in den Mittelpunkt unserer<br />

Aufinerksamkeit stellen (siehe auch den Vergleich mit Arbeitem, die am Bau<br />

einer Kathedrale beteiligt sind, in Kapitel 8). Ein extremes Beispiel gibt Peter<br />

Galison (1997) mit seiner Darstellung des Forschungsbetriebs in der heutigen<br />

Elementarteilchenphysik, wo in der Folge experimentellen Arbeiiens anspruchsvolle<br />

mathematische <strong>Theorien</strong> entwickelt werden, die eine elaborierte Computertechnologie<br />

und Instrumentarien mit modemster Technik voraussetzen. In Situationen<br />

wie dieser gibt es keine einzelne Person, die alle Aspekte dieser komplexen<br />

Situation erfasst. Der theoretische Physiker, der Programmierer von Computerprogrammen,<br />

der Ingenieur und der experimentelle Physiker haben jeweils eigenstandige<br />

Fahigkeiten, die in einem gemeinsamen Projekt aufeinander bezogen werden<br />

mtissen. Wenn die Fortschrittlichkeit dieser Untemehmung <strong>als</strong> Konzentration auf<br />

den Umfang von Uberzeugungen verstanden wird, dann stellt sich die Frage, auf<br />

wessen LFberzeugung wir vertrauen und warum.<br />

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