25.02.2013 Aufrufe

8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

152<br />

Das AusmaB, in dem nach Howsons und Urbachs Analyse Uberzeugungen<br />

von Priorwahrscheinlichkeiten abhangen, stellt ein anderes Problem dar. Setzt<br />

man voraus, dass ein Wissenschaftler stark genug an eine Theorie glaubt, um an<br />

ihr zu arbeiten (der bayessche Ansatz bietet keine Moglichkeit, Uberzeugungen<br />

beliebiger Starke zu vermeiden), so mag es erscheinen, dass diese Uberzeugung<br />

durch keine gegenteiligen Befunde erschtxttert werden kann, wie stark und weitreichend<br />

auch immer sie sein mogen. In der Tat wird dieser Aspekt durch die Studie<br />

zu Front illustriert, dieselbe Studie, die Howson und Urbach zur Unterstiitzung<br />

ihrer Position heranziehen. Erinnern wir uns daran, dass die Proutianer von einer<br />

Priorwahrscheinlichkeit von 0,9 fur ihre Theorie, nach der Atomgewichte das<br />

Vielfache des Atomgewichts von Wasserstoff besitzen, ausgingen und eine Priorwahrscheinlichkeit<br />

von 0,6 dafur annahmen, dass das die Messungen des Atomgewichts<br />

ausreichend genaue Wiedergaben des tatsachlichen Atomgewichts darstellen.<br />

Die Posteriorwahrscheinlichkeiten, die vor dem Hintergrund des Wertes 35,83<br />

fiir Chlor berechnet wurden, lagen bei 0,878 fiir Prouts Theorie und 0,073 fur die<br />

Annahme, dass die Experimente reliabel sind. Damit batten die Proutianer Recht,<br />

an ihrer Theorie festzuhalten und die Untersuchungsbefunde <strong>als</strong> f<strong>als</strong>ch zuriickzuweisen.<br />

Hinter Prouts Hypothese stand ursprunglich, dass eine Reihe anderer<br />

Atomgewichte <strong>als</strong> das von Chlor nahemngsweise ganzzahlige Werte aufwies,<br />

wobei jedoch diese Atomgewichte mit genau den Techniken bestimmt wurden, die<br />

die Proutianer <strong>als</strong> so wenig reliabel beurteilten, dass sie ihnen lediglich eine Wahrscheinlichkeit<br />

von 0,073 zuwiesen! Zeigt das nicht, dass Wissenschaftler, wenn<br />

sie nur dogmatisch genug sind, jeden ungtinstigen Befimd ausgleichen konnen?<br />

Sofem dies der Fall ist, hat der subjektive Bayesianismus keine Moglichkeit,<br />

solche Aktivitaten <strong>als</strong> schlechte wissenschaftliche Praxis zu identifizieren. Die<br />

Priorwahrscheinlichkeiten konnen nicht beurteilt werden, sie miissen einfach <strong>als</strong><br />

gegeben hingenommen werden. Wie Howson und Urbach (1989, S. 273) selbst<br />

betonen, „stehen sie auch nicht in der Verpflichtung, die Methoden mit denen<br />

Priorwahrscheinlichkeiten bestimmt werden, zu beurteilen".<br />

Bayesianer scheinen die poppersche Behauptung, die Wahrscheinlichkeiten<br />

aller <strong>Theorien</strong> seien Null, insofem widerlegen zu konnen, <strong>als</strong> sie diese Wahrscheinlichkeiten<br />

mit den je spezifischen Uberzeugungsgraden von Wissenschaftlern<br />

gleichsetzen. Dennoch ist die bayessche Position nicht so einfach, da Bayesianer<br />

mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten miissen, die nicht direkt zuganglich sind<br />

und daher nicht mit den aktuell herrschenden Uberzeugungen gleichgesetzt werden<br />

konnen. Betrachten wir zum Beispiel die Frage der Relevanz von in der Vergangenheit<br />

erbrachten Befunden. Wie konnen die Beobachtungen der Umlaufbahn<br />

des Merkurs <strong>als</strong> Bestatigung der einsteinschen Relativitatstheorie herangezogen<br />

werden, wo diese Beobachtungen der Theorie doch um Jahrzehnte vorausgingen?<br />

Um die Wahrscheinlichkeit der einsteinschen Theorie im Lichte dieser Befunde zu<br />

berechnen, muss der subjektive Bayesianismus unter anderem ein MaB fiir die<br />

Wahrscheinlichkeit bereitstellen, die ein Anhanger Einsteins der Wahrscheinlichkeit<br />

der Umlauft}ahn vom Merkur ohne Kenntnis der einsteinschen Theorie zuweisen<br />

wtirde. Diese Wahrscheinlichkeit ist kein MaB ftir den LFberzeugungsgrad, den<br />

ein Forscher aktuell hat, sondem ein MaB fiir den LFberzeugungsgrad, den er hatte,<br />

wenn er nicht den Kenntnisstand besaBe, iiber den er tatsachlich verfligt. Um es

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!