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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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obachtbare Zustand eines Sachverhalts ist. Die Bedeutsamkeit dieses Arguments<br />

fiir die Wissenschaft machen gut dokumentierte Fallbeispiele aus der Wissenschaftsgeschichte<br />

deutlich, wie zum Beispiel die Auseinandersetzung daruber, ob<br />

die Effekte der sogenannten N-Strahlen beobachtbar sind oder nicht (vgl. Nye,<br />

1980) Oder die Auseinandersetzungen zwischen Astronomen aus Sydney und<br />

Cambridge daruber, was in den frUhen Jahren der Erforschung von Radiowellen<br />

beobachtbare Tatsachen waren (vgl. Edge & Mulkay, 1976). Bisher haben wir<br />

wenig dazu gesagt, wie auf dem Hintergrund solcher Probleme eine sichere Beobachtungsgrundlage<br />

fiir Wissenschaft gefimden werden kann. Weitere Schwierigkeiten<br />

beziiglich der Zuverlassigkeit der Beobachtungsgrundlage von Wissenschaft<br />

entstehen daraus, dass auf der Grundlage vorausgesetzten Wissens Beobachtungsaussagen<br />

<strong>als</strong> f<strong>als</strong>ch beurteilt werden konnen. An einigen Beispielen soil<br />

dies illustriert werden.<br />

Unter den vier Elementen, aus denen alle terrestrischen Objekte bestehen<br />

sollten, befand sich nach Aristoteles auch das Feuer. Die Annahme, Feuer sei eine<br />

spezifische Substanz, wenn auch eine sehr leichte, hielt sich hunderte von Jahren,<br />

und erst die modeme Chemie stellte diese Annahme griindlich infrage. Diejenigen,<br />

die mit dieser Grundannahme arbeiteten, meinten, dass sie Feuer direkt beobachten,<br />

wenn sie Flammen in die Luft steigen sahen, sodass far sie die Beobachtungsaussage<br />

„Das Feuer steigt auf haufig auf direkter Beobachtung basierte. Heute<br />

weisen wir solche Beobachtungsaussagen zuriick. Tatsache ist, dass dann, wenn<br />

das Wissen, das die Kategorien zur Beschreibung von Beobachtungen liefert,<br />

fehlerhaft ist, die Beobachtungsaussagen, die auf solchem Wissen basieren, ebenfalls<br />

fehlerhaft sind.<br />

Ein zweites Beispiel betrifft die im 16. und 17. Jahrhundert anerkannte Erkenntnis,<br />

dass sich die Erde bewegt, indem sie sich um ihre eigene Achse dreht<br />

und die Sonne dabei umkreist. Von den Entwicklungen, die diese Erkenntnis<br />

moglich machten, kann gesagt werden, dass die Aussage „Die Erde bewegt sich<br />

nicht" eine Tatsache darstellte, die durch Beobachtungen belegt wurde. SchlieBlich<br />

konnen wir die Bewegung der Erde nicht sptiren oder sehen, und wenn wir in<br />

die Luft springen, bewegt sich die Erde nicht unter unseren FtiBen weiter. Auf der<br />

Grundlage einer modernen Sichtweise wissen wir, dass die Beobachtungsaussage<br />

trotz dieser Phanomene f<strong>als</strong>ch ist. Wir kennen den Begriff der Tragheit und wissen,<br />

dass sich an der Tatsache, dass wir uns durch die Drehung der Erde in einer<br />

Geschwindigkeit von 100 Metern pro Sekunde in horizontaler Richtung vorwarts<br />

bewegen, nichts verandert, indem wir in die Luft springen. Um Geschwindigkeit<br />

zu verandern, bedarf es einer Krafteinwirkung, und in unserem Beispiel gibt es<br />

keine horizontal wirkenden Krafte. Wir behalten die horizontale Geschwindigkeit,<br />

die wir mit der Erde teilen, bei und landen, wo wir abgesprungen sind. Die Aussage<br />

„Die Erde bewegt sich nicht" wird nicht in der Art und Weise durch Beobachtungen<br />

belegt, wie man fi-tiher angenommen hatte. Aber um dies wirklich zu verstehen,<br />

brauchen wir Wissen uber die Tragheit, eine Innovation des 17. Jahrhunderts.<br />

Wir haben hier ein Beispiel dafiir, wie die Beurteilung des Wahrheitsgehalts<br />

einer Beobachtungsaussage von dem Hintergrundwissen abhangt, auf dessen<br />

Grundlage diese Beurteilung vorgenommen wurde. Es scheint, <strong>als</strong> hatte die wissenschaftliche<br />

Revolution nicht nur eine fortschrittliche Veranderung der wissen-

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