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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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zentrales Prinzip dieser Tradition darin lag, dass Wissen mit der Evidenz der<br />

Sinne kompatibel sein muss, wenn diese hinreichend sorgfaltig und unter geeigneten<br />

Bedingungen eingesetzt werden. Galileis Biograph Ludovico Geymonat<br />

(1965, S. 45) bezieht sich auf die Annahme, „die von den meisten Gelehrten jener<br />

Zeit geteilt wurde, dass die aktuelle Realitat nur durch das direkte Sehvermogen<br />

erfasst werden konne". Clavelin (1974, S 384) stellt im Zusammenhang eines<br />

Vergleichs der galileischen mit der aristotelischen Physik fest, dass „die oberste<br />

Maxime der peripatetischen Physik darin bestand, niem<strong>als</strong> die Evidenz der Sinne<br />

anzuzweifeln", und Gaukroger (1978, S 92) berichtet in einem ahnlichen Zusammenhang<br />

von einem „grundlegenden und ausschlieBlichen Sichverlassen auf Sinneswahmehmung<br />

im Werke Aristoteles".<br />

Die teleologische Verteidigung der Verlasslichkeit der Sinne war dam<strong>als</strong><br />

durchaus iiblich. Die Funktion der Sinne wurde darin gesehen, uns Informationen<br />

liber die Welt zu liefem. Aus diesem Grund erscheint es wenig einleuchtend anzunehmen,<br />

dass sie uns bei der Erfiillung ihrer Aufgabe systematisch tauschen, auch<br />

wenn sie uns unter auBergewohnlichen Umstanden wie zum Beispiel im Nebel<br />

Oder wenn der Beobachter betrunken ist, durchaus tauschen konnen. Block (1961,<br />

S. 9) beschreibt in einem aufschlussreichen Artikel iiber die aristotelische Theorie<br />

der Sinneswahrnehmung dessen Auffassung.<br />

Die Natur hat alles zu einem bestimmten Zweck gemacht, und der<br />

Zweck des Menschen ist es, die Natur durch Wissenschaft zu verstehen.<br />

Daher ware es ein Widerspruch der Natur, wenn sie den<br />

Menschen und seine Organe so geschaffen hatte, dass alles Wissen<br />

und Wissenschaft von Anbeginn f<strong>als</strong>ch sein muss.<br />

Die Sichtweise von Aristoteles wurde viele Jahrhunderte spater von Thomas von<br />

Aquin (zit. n. Block, 1961, S. 7) wieder aufgenommen:<br />

Sinneswahrnehmung ist immer wahrheitsgetreu in Bezug auf die ihr<br />

eigenen Objekte ... denn nattirliche Fahigkeiten scheitem in der<br />

Regel nicht bei den ihr eigenen Aktivitaten. Sollten sie dennoch<br />

einmal scheitem, ist dies auf eine Verwirrung oder etwas Ahnliches<br />

zurtickzuftihren. Daher beurteilen die Sinne die ihnen zuganglichen<br />

Objekte nur in wenigen Fallen ungenau und dann nur wegen eines<br />

organischen Defekts, zum Beispiel wenn jemand, der Fieber hat,<br />

etwas StiBes <strong>als</strong> bitter schmeckt, weil seine Zunge in ihrer Funktion<br />

gestort ist.<br />

Galilei befand sich in einer Situation, in der das Vertrauen in die Sinne, inklusive<br />

der mit bloBem Auge gewonnenen Daten, „das Kriterium der Wissenschaft selbst"<br />

war. Um teleskopische Daten einzuftihren und mithilfe dieser die mit bloBem<br />

Auge gewonnenen zu ersetzen oder sogar zu iibertrumpfen, musste Galilei dieses<br />

Kriterium grundsatzlich infrage stellen. Als ihm das gelungen war, hatte er die<br />

MaBstabe innerhalb der Wissenschaft verandert. Wie wir gesehen haben, war<br />

Feyerabend nicht der Meinung, dass Galilei dazu eine zwingende Argumentation<br />

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