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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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Laune einzelner Wissenschaftler unterliegt, die Schuld einem beliebigen Teilbereich<br />

zuzuschreiben, bleibt unklar, wie es moglich ist, dass sich ausgereifte wissenschaftliche<br />

Disziplinen so koordiniert und geschlossen weiterentwickeln konnten,<br />

wie dies offenbar der Fall ist. Lakatos Antwort lautete, dass nicht alle Aspekte<br />

einer wissenschaftlichen Disziplin gleichwertig sind. Manche Gesetze und Prinzipien<br />

sind zentraler <strong>als</strong> andere. Tatsachlich sind einige so fundamental, dass sie<br />

einem konstituierenden Merkmal einer Wissenschaft gleichkommen. In ihrer<br />

Zentralitat konnen sie durch kein auftretendes Versagen infrage gestellt werden.<br />

Davon sind eher weniger fundamentale Komponenten betroffen. Unter dieser<br />

Voraussetzung kann Wissenschaft <strong>als</strong> eine programmatische Entwicklung der<br />

Implikationen ftmdamentaler Prinzipien verstanden werden. Wissenschaftler konnen<br />

versuchen, auftretende Probleme zu losen, indem sie die eher peripheren Annahmen<br />

modifizieren. Unabhangig davon, wie unterschiedlich solche Modifikationen<br />

sein mogen, tragen sie damit - so sie erft)lgreich sind - zur Weiterentwicklung<br />

eines Forschungsprogramms bei.<br />

Lakatos sieht in solchen ftmdamentalen Prinzipien den harten Kern von Forschungsprogrammen.<br />

Der harte Kern eines Programms ist mit Abstand das kennzeichnendste<br />

Merkmal eines Programms. Der harte Kern besteht aus einigen sehr<br />

allgemeinen Hypothesen, die die Basis bilden, von der aus das Programm entwickelt<br />

werden muss. Einige Beispiele: Der harte Kern der Astronomic von Kopernikus<br />

besteht aus den Annahmen, dass die Erde und die Planeten um eine feststehende<br />

Sonne kreisen und dass die Erde sich in einem Tag um ihre eigene Achse<br />

dreht. Der harte Kern der newtonschen Physik besteht aus den Bewegungsgesetzen<br />

sowie dem Gesetz der Massenanziehungskraft. Der harte Kern des Historischen<br />

Materialismus von Marx wtirde die Annahmen enthalten, dass soziale Veranderung<br />

vom Standpunkt des Klassenkampfes aus erklart werden muss, wobei<br />

die Art der Klassen und die naheren Einzelheiten des Kampfes letztlich durch die<br />

okonomische Basis bestimmt werden.<br />

Die Grundlagen eines Programms miissen durch eine Reihe von Zusatzannahmen<br />

erganzt werden, um sie so zu untermauem, dass definitive Voraussagen<br />

gemacht werden konnen. Sie bestehen nicht nur aus expliziten Annahmen und<br />

Gesetzen, die den harten Kern erganzen, sondem auch aus Annahmen, die der<br />

Beschreibung der Anfangsbedingungen und Beobachtungsaussagen sowie experimentellen<br />

Ergebnissen zugrundeliegen. So musste zum Beispiel der harte Kern<br />

des Forschungsprogrammes von Kopemikus erweitert werden, indem den anfanglich<br />

kreisformigen Planetenbahnen zahlreiche Epizykel hinzugefligt wurden. Dartiber<br />

hinaus bestand die Notwendigkeit, die filiher allgemein anerkannte Bestimmung<br />

der Entfemung zwischen den Stemen und der Erde zu verandem. Ursprtinglich<br />

beinhaltete das Programm auch die Annahme, dass das bloBe Auge akkurate<br />

Mormationen iiber die Position, die GroBe und die Helligkeit von Sternen und<br />

Planeten liefert. Unstimmigkeiten zwischen einem ft)rmulierten Programm und<br />

einer Beobachtung sollen den Zusatzannahmen und nicht dem harten Kern zugeschrieben<br />

werden. Um ihre Rolle <strong>als</strong> Schutz des harten Kerns vor F<strong>als</strong>ifikationen<br />

zu betonen, nennt Lakatos die Summe der Zusatzhypothesen, die den harten Kern<br />

erganzen, Schutzgilrtel. Nach Lakatos (1974, S. 130) bleibt der harte Kern unberiihrt<br />

von der „methodologischen Entscheidung seiner Protagonisten". Annahmen,

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