8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2
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Unabhangig davon, dass RegelmaBigkeit keine hinreichende Bedingung fur<br />
Gesetze ist, legen einfache Uberlegungen zu Gesetzen, wie sie sich in der Wissenschaft<br />
darstellen, den Gedanken nahe, dass RegelmaBigkeit nicht einmal eine<br />
notwendige Bedingung ist. Wtirde die Sichtweise, die Gesetze <strong>als</strong> ausnahmsloses<br />
regelmaBiges Zusammentreffen von Ereignissen beschreibt, ernst genommen,<br />
qualifizierten sich keine derjenigen Aussagen, die typischerweise <strong>als</strong> wissenschaftliche<br />
Gesetze gelten, <strong>als</strong> solches. Eines dieser Gesetze ist das oben erwahnte<br />
Fallgesetz von Galilei. Herbstlaub fallt selten mit gleichbleibender Beschleunigung<br />
zu Boden. In einer undifferenzierten Sichtweise von RegelmaBigkeit ware<br />
das Gesetz f<strong>als</strong>ch. Auf ahnliche Art wird das archimedische Prinzip, nach dem<br />
Objekte, die eine hohere Dichte <strong>als</strong> Wasser haben, sinken, durch eine auf der Wasseroberflache<br />
treibende Stecknadel widerlegt.<br />
Wtirden Gesetze <strong>als</strong> RegelmaBigkeiten ohne Ausnahmen verstanden, dann<br />
ware es mangels geeigneter RegelmaBigkeiten sehr schwer, emstzunehmende<br />
Kandidaten fiir Gesetze zu fmden. Mehr noch, die meisten Generalisierungen, die<br />
in der Wissenschaft <strong>als</strong> Gesetze angesehen werden, scheiterten daran, sich <strong>als</strong><br />
solche zu qualifizieren.<br />
Aus dem Blickwinkel wissenschaftlicher Praxis und entsprechend der allgemeinen<br />
Sichtweise dieses Sachverhaltes gibt es eine einfache Antwort auf diese<br />
Beobachtungen. Es ist allgemein verstandlich, warum Herbstlaub nicht gleichma-<br />
Big zu Boden fallt. Es wird von Luftzug und Luftwiderstand beeinflusst, die, genauso<br />
wie die Oberflachenspannung fur eine untergehende Nadel, Storvariablen<br />
darstellen. Weil Storvariablen physikalische Prozesse behindem, werden physikalische<br />
Gesetze, die solche Prozesse charakterisieren, unter kunstlichen experimentellen<br />
Bedingungen untersucht. Storungen werden dabei eliminiert oder kontrolliert.<br />
Ftir die Wissenschaft relevante RegelmaBigkeiten, die Indikatoren fiir<br />
gesetzmaBiges Verhalten sind, sind typischerweise hart erarbeitete Ergebnisse<br />
detaillierter Experimente. Denken wir zum Beispiel daran, wie lange Henry<br />
Cavendish daran arbeiten musste, um zu dem Arrangement der sich anziehenden<br />
Bleikugeln zu gelangen, die das reziprok-quadratische Gesetz der Massenanziehung<br />
demonstrieren sollte und wie es Thomson endlich gelang, regelmaBige Ablenkungen<br />
bewegter Elektronen in einem elektrischen Feld aufzuzeigen, woran<br />
Hertz gescheitert war.<br />
Eine nahe liegende Antwort, die die Verteidiger des RegelmaBigkeits-Ansatzes<br />
auf diese Beobachtungen geben konnen, ist die Neuformulierung der Sichtweise<br />
in einer konditionalen Form. In diesem Sinne konnten Gesetze folgendermaBen<br />
formuliert werden: „Ereignisse des Typs A gehen regelmaBig Ereignissen<br />
des Typs B voraus oder werden von ihnen begleitet, vorausgesetzt, es gibt keine<br />
Storfaktoren." So wtirde Galileis Fallgesetz folgendermaBen lauten: „Schwere<br />
Objekte fallen mit gleichbleibender Beschleunigung zur Erde, vorausgesetzt, sie<br />
treffen nicht auf einen Widerstand oder werden nicht durch Winde oder andere<br />
Storfaktoren abgelenkt." Der Ausdruck „andere Storfaktoren" verweist auf das<br />
generelle Problem, wie eine prazise Aussage zu den Bedingungen, auf die ein<br />
Gesetz anwendbar ist, formuliert werden kann. Diese Schwierigkeit soil jedoch<br />
nicht weiter vertieft werden, weil vermutet werden kann, dass der RegelmaBigkeits-Ansatz<br />
mit weitaus fundamentaleren Problemen konfi-ontiert ist. Wenn wir<br />
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