8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2
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gestellt wurde. Newton ersetzte Galileis zirkulares Tragheitsgesetz durch sein<br />
eigenes lineares Tragheitsgesetz, nach dem Korper sich in geraden und gleichformigen<br />
Bewegungen fortbewegen, sofern keine Krafte auf sie einwirken. Ein weiterer<br />
bedeutsamer Beitrag von Newton war die Gravitationstheorie. Sie versetzte<br />
Newton in die Lage, eine Erklarung dafiir zu liefern, warum Keplers Gesetz der<br />
Planetenbewegung und Galileis Gesetz des freien Falls annahemd zutreffend<br />
waren. Im System von Newton bildete die Wirklichkeit der Himmelskorper und<br />
der irdischen Korper eine Einheit - und alle Korper bewegen sich gemaB Newtons<br />
Bewegungsgesetzen unter dem Einfluss von Kraften. Nachdem Newtons Physik<br />
einmal anerkannt war, war es moglich, sie im Einzelnen auf die Astronomie anzuwenden.<br />
Es war zum Beispiel moglich, die Details der Umlaufbahn des Mondes<br />
zu erforschen, wobei seine endliche GroBe, die Erddrehung, die Schwankungen<br />
der Erde um die eigene Achse und so weiter berticksichtigt wurden. Es war ebenfalls<br />
moglich, die Abweichung der Planetenbewegungen von den Vorhersagen der<br />
keplerschen Gesetze zu untersuchen, die durch die endliche Masse der Sonne,<br />
interplanetarische Krafte etc. bedingt sind. Derartige Entwicklungen sollten einige<br />
der Nachft)lger Newtons fur die nachsten Jahrhunderte beschaftigen.<br />
Die Geschichte, die hier in groben Umrissen dargestellt wurde, sollte ausreichen,<br />
um aufzuzeigen, dass die kopernikanische Revolution nicht damit vollzogen<br />
war, einen Hut ein- oder zweimal vom schiefen Turm von Pisa fallen zu lassen. Es<br />
ist ebenso klar, dass weder die Induktivisten noch die F<strong>als</strong>ifikationisten eine wissenschaftstheoretische<br />
Erklarung bieten konnen, die mit dieser geschichtlichen<br />
Entwicklung vereinbar ware. Neue Konzepte von Kraft und Tragheit waren nicht<br />
das Ergebnis vorsichtiger Beobachtungen und Experimente, noch ergaben sie sich<br />
aus der F<strong>als</strong>ifikation kiihner Vermutungen und der wiederholten Ablosung einer<br />
kiihnen Vermutung durch eine andere. An fi*iihen Formulierungen der Theorie,<br />
einschlieBlich unvollstandig formulierten Konzepten, wurde festgehalten, und sie<br />
wurden, ungeachtet augenfalliger F<strong>als</strong>ifikationen, weiterentwickelt. Erst nachdem<br />
ein neues physikalisches System entwickelt worden war - ein Prozess, der die<br />
intellektuelle und praktische Arbeit vieler Wissenschaftler tiber mehrere Jahrhunderte<br />
in Anspruch nahm - konnten erfolgreich Ubereinstimmungen der neuen<br />
Theorie mit Ergebnissen von Beobachtungen und Experimenten im Detail aufgezeigt<br />
werden. Kein einziger wissenschaftstheoretischer Ansatz kann <strong>als</strong> annahemd<br />
angemessen bezeichnet werden, sofern er nicht Raum fur derartige Faktoren<br />
bietet.<br />
7.4 Die Unangemessenheit des f<strong>als</strong>inkationistischen Abgrenzungskriteriums<br />
und Poppers Antwort<br />
Poppers Abgrenzungskriterium zwischen Wissenschaft und Nicht- bzw. Pseudowissenschaft<br />
ist verlockend. Wissenschaftliche <strong>Theorien</strong> sollen f<strong>als</strong>ifizierbar sein.<br />
Das heiBt, sie sollen Konsequenzen haben, die durch Beobachtungen oder Experimente<br />
iiberprufbar sind. Gilt dieses Kriterium uneingeschrankt, hat es die<br />
Schwache, dass es zu leicht erfullt wird, im Besonderen durch viele Erkenntnisanspruche,<br />
die Popper <strong>als</strong> unwissenschaftlich klassifizieren wiirde. Astrologen stel-