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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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vor der Brust eines Patienten befmdet, und hort die Erlauterungen<br />

des Radiologen gegeniiber seinen Assistenten, der sie in der Fachterminologie<br />

uber die wichtigsten Besonderheiten dieser Schatten<br />

informiert. Zunachst ist der Student vollig verwirrt. Er sieht namlich<br />

in dem Rontgenbild eines Brustkorbes bloB die Schatten des Herzens<br />

und der Rippen, mit einigen schemenhaften Flecken dazwischen.<br />

Es scheint so, <strong>als</strong> ob die Experten iiber die selbst ersonnenen<br />

Fiktionen ihrer eigenen Phantasie fabulieren wurden; unser Student<br />

ist nicht in der Lage etwas von dem zu entdecken, wortiber sie sprechen.<br />

Wenn er nun noch einige Wochen langer zuhort und dabei<br />

aufmerksam immer wieder neue Bilder von anderen Fallen betrachtet,<br />

dann wird bei ihm ein immer besseres Verstandnis fiir die Vorgange<br />

entstehen, die ihm zunachst unklar erschienen. Er wird allmahlich<br />

die Rippen bei seinen Betrachtungen auBer Acht lassen und<br />

beginnen, nur noch die Lunge zu sehen. Und endlich, wenn er intelligent<br />

genug ist, wird sich ihm ein Panorama an viel sagenden Einzelheiten<br />

enthtillen; physiologische Variationen und pathologische<br />

Veranderungen, Narben, chronische Infektionen und Zeichen emsthafter<br />

Krankheit. Er hat eine neue Welt betreten. Er sieht nach wie<br />

vor nur einen Bruchteil dessen, was die Experten sehen konnen,<br />

aber die Bilder ergeben nun sehr wohl einen Sinn und ebenso die<br />

meisten Bemerkungen, die gemacht werden.<br />

Bei identischen Gegebenheiten hat der erfahrene und geschulte Beobachter nicht<br />

die gleichen Wahrnehmungsfahigkeiten wie der Novize. Das passt nicht zu einem<br />

allzu wortlichen Verstandnis der Behauptung, dass Wahmehmungen auf einfachem<br />

Weg iiber die Sinne vermittelt werden.<br />

Eine gangige Reaktion auf die oben gemachten Aussagen tiber Beobachtung,<br />

die mit den herangezogenen Beispielen belegt wurden, ist die, dass die Beobachter,<br />

die denselben Vorgang von derselben Stelle aus betrachten, zwar genau dasselbe<br />

sehen, jedoch das Gesehene unterschiedlich interpretieren. Hier sind allerdings<br />

Zweifel angebracht. Was die Wahrnehmung betrifft, so hat der Beobachter<br />

einen direkten und unmittelbaren Zugang nur zu den von ihm selbst tatsachlich<br />

gemachten Erfahrungen. Diese Erfahrungen sind nicht ein fur alle Mai vorgegeben<br />

und unveranderlich, sondem sie variieren mit dem Wissen und den vorangegangenen<br />

Erfahrungen des Beobachters. Lediglich das Bild auf der Retina des<br />

Beobachters ist eindeutig festgelegt. Wenn von der Annahme ausgegangen wird,<br />

dass in unserer Wahrnehmung etwas eindeutig gegeben ist, das auf unterschiedliche<br />

Weise interpretiert werden kann, dann wird ohne echte Beweisflihrung und<br />

ungeachtet vieler Gegenbeweise unterstellt, dass einzig und allein die Bilder<br />

unserer Retina unsere Wahrnehmungserfahrung determinieren. Die Analogic zu<br />

einem Photoapparat wird schlichtweg zu weit gefuhrt.<br />

Nach dieser Klarung soil deutlich herausgestellt werden, welcher Anspruch<br />

in diesem Abschnitt nicht erhoben werden soil, um damit die hier vertretene Position<br />

eindeutig zu umreiBen. Erstens soil sicher nicht behauptet werden, dass die<br />

physischen Ursachen fur die Bilder auf unserer Retina tiberhaupt nichts mit dem<br />

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