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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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Veranderungen <strong>als</strong> progressiv anerkannt werden konnen. SchlieBen wir uns Kuhns<br />

Charakterisierung von Wissenschaft an und werfen dieses Problem in aller Scharfe<br />

auf: Kuhn behauptet, dass das, was <strong>als</strong> Problem angesehen wird, von Paradigma<br />

zu Paradigma wechselt. Das Gleiche gilt fur die MaBstabe zu Beurteilung der<br />

Angemessenheit von vorgeschlagenen Losungen fiir Probleme. Wenn MaBstabe<br />

jedoch von Paradigma zu Paradigma wechseln, stellt sich die Frage, auf welche<br />

man sich beziehen kann, um festzustellen, dass ein Paradigma besser ist, <strong>als</strong>o<br />

einen Fortschritt gegentiber dem Paradigma, das es ersetzt, darstellt? Wann kann<br />

gesagt werden, dass Wissenschaft durch Revolutionen voranschreitet?<br />

8.7 Kuhns Ambivalenz bezuglich des Fortschritts durch Revolutionen<br />

Kuhns Haltung gegeniiber der von uns gestellten Grundfrage, die auch in seinem<br />

eigenen Werk behandelt wird, ist durchgangig ambivalent. Nach der Publikation<br />

des Buches ,,Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen" wurde Kuhn vorgeworfen,<br />

eine „relativistische" Sichtweise des wissenschaftlichen Fortschrittes zu<br />

propagieren. Kuhn habe einen Beitrag zum Thema Fortschritt eingebracht, nach<br />

dem die Frage, ob ein Paradigma besser ist <strong>als</strong> eines, das es infrage stellt, nicht<br />

deflnitiv und neutral beantwortet werden kann, sondern von Werten Einzelner,<br />

Gruppen oder Kulturen abhangt. Kuhn trat diesem „Vorwurf' entgegen und ftigte<br />

der zweiten Auflage seines Buches ein Postskriptum an, in dem er sich vom Relativismus<br />

distanzierte: „Spatere wissenschaftliche <strong>Theorien</strong> sind besser <strong>als</strong> frtihere<br />

geeignet, Probleme in den oft ganz unterschiedlichen Umwelten, auf die sie angewendet<br />

werden, zu losen. Dies ist keine relativistische Position, und in diesem<br />

Sinne bin ich fest txberzeugt vom wissenschaftlichen Fortschritt" (Kuhn, 1979, S.<br />

217). Dieses Kriterium ist insofem problematisch, <strong>als</strong> Kuhn selbst betont, dass<br />

das, was <strong>als</strong> Problem bzw. seine Losung gelten kann, vom jeweiligen Paradigma<br />

abhangig ist und weil Kuhn an anderer Stelle (1979a, S. 217) andere Kriterien wie<br />

„Einfachheit, Anwendungsbreite und Vertraglichkeit mit anderen Spezialgebieten"<br />

anfiihrt. Noch problematischer ist jedoch der Widerspruch zwischen diesem<br />

nicht-relativistischen Anspruch beziiglich des Fortschritts und den zahlreichen<br />

Passagen in Kuhns Buch, die <strong>als</strong> explizites Eintreten ftir eine relativistische Position<br />

verstanden werden konnen, wenn nicht sogar <strong>als</strong> ein Leugnen, dass es<br />

irgendwelche rationale Kriterien wissenschaftlichen Fortschritts gibt.<br />

Kuhn vergleicht wissenschaftliche Revolutionen mit Gestaltwandel, religioser<br />

Konversion und politischen Revolutionen. Kuhn benutzt diese Vergleiche, um<br />

zu betonen, wie wenig die Treue eines Wissenschaftlers gegentiber dem einen<br />

oder anderen Paradigma auf rationale, allgemein anerkannte Kriterien zuruckgefiihrt<br />

werden kann. Die Art und Weise, in der die Darstellung auf Seite 9 (Abb. 1)<br />

von einer von oben zu einer von unten betrachteten Treppe wechselt, ist ein einfaches<br />

Beispiel fiir einen Gestaltwandel, aber es macht deutlich, dass ein solcher<br />

Wandel das Gegenteil einer durchdachten Wahl ist. Das Konvertieren von einer<br />

Religion zu einer anderen wird tiblicherweise in analoger Weise gesehen. Was die<br />

Analogic zu politischen Revolutionen angeht, betont Kuhn (1979, S. 105f), dass<br />

diese „darauf aus [sind], politische Institutionen auf Weisen zu andern, die von<br />

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