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8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2

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schaftlichen Theorie mit sich gebracht, sondern auch eine Veranderung dessen,<br />

was <strong>als</strong> beobachtbare Tatsache angesehen wird.<br />

Der zuletzt genannte Punkt soil anhand eines dritten Beispiels illustriert werden.<br />

Es betrifft die GroBe der Planeten Mars und Venus, wie sie im Verlauf eines<br />

Jahres von der Erde aus wahrgenommen werden kann. Es ist eine Konsequenz der<br />

kopemikanischen Vermutung, dass sich die Erde in einer Umlaufbahn um die<br />

Sonne dreht, die auBerhalb derjenigen der Venus und innerhalb der des Mars liegt,<br />

dass sich die angenommene GroBe von Venus und Mars im Verlauf eines Jahres<br />

erheblich verandert. Das liegt daran, dass die Erde in relativer Nahe zu den jeweiligen<br />

Planeten liegt, wenn sie sich auf derselben Seite der Sonne befmden. Ist die<br />

Erde jedoch auf der anderen Seite der Sonne <strong>als</strong> diese Planeten, wirkt die Entfernung<br />

deutlich groBer. Betrachtet man diesen Sachverhalt quantitativ, wie das in<br />

Kopernikus' eigener Version dieser Theorie moglich ist, ist dieser Effekt mit einer<br />

vorhergesagten Veranderung des wahrgenommenen Durchmessers um einen<br />

Faktor von etwa acht beim Mars und einem Faktor von etwa sechs bei der Venus<br />

messbar. Betrachtet man die Planeten jedoch mit bloBem Auge, kann bezuglich<br />

der GroBe der Venus keine Veranderung festgestellt werden, wahrend die Veranderung<br />

der GroBe des Mars etwa den Faktor zwei aufweist. So wurde die Beobachtungsaussage<br />

„Die GroBe der Venus verandert sich im Jahres verlauf nicht" klar<br />

bestatigt und sogar im Vorwort zu Kopernikus' ..Revolution der Himmlischen<br />

Sphdrert' <strong>als</strong> eine Tatsache erwahnt, die „durch Erfahrungen aller Zeitalter"<br />

(Duncan, 1976, S. 22) bestatigt wurde. Osiander, der Autor dieses Vorwortes, war<br />

so beeindruckt von dem Auseinanderklaffen der Konsequenzen aus der Theorie<br />

Kopernikus' und den „beobachtbaren Tatsachen", dass er dies zum Anlass nahm,<br />

anzufuhren, dass die Theorie von Kopernikus nicht wortlich genommen werden<br />

sollte. Wir wissen heute, dass Beobachtungen der PlanetengroBe mit bloBem Auge<br />

fehlerbehaftet sind, und dass das Auge kein geeignetes Werkzeug zur Messung der<br />

GroBe kleiner Lichtquellen auf dunklem Hintergrund ist. Aber es bedurfte Galilei,<br />

dies herauszustellen und zu zeigen, dass der vorhergesagte GroBenunterschied<br />

deutlich wahrgenommen werden kann, wenn Venus und Mars durch ein Teleskop<br />

betrachtet werden. Hier haben wir ein gutes Beispiel daftir, wie die Korrektur von<br />

Fehleinschatzungen beobachtbarer Tatsachen durch verbessertes Wissen und<br />

geeignetere Technologien moglich ist. Fiir sich selbst gesehen ist dieses Beispiel<br />

nicht weiter bemerkenswert und wenig mysteries. Aber es zeigt, dass jede Sichtweise<br />

der Aussage, dass wissenschaftliche Erkenntnis auf beobachtbaren Tatsachen<br />

beruht, beinhaltet, dass sowohl die Tatsachen <strong>als</strong> auch das Wissen fehlbar<br />

und Gegenstand von Korrekturen sein konnen und dass eine gegenseitige Abhangigkeit<br />

von wissenschaftlicher Erkenntnis und den Tatsachen, auf denen sie beruht,<br />

besteht.<br />

Die intuitive Annahme, die mit der These „Wissenschaft basiert auf Tatsachen"<br />

in Worte gefasst wurde, bezieht sich darauf, dass Wissenschaft zum Teil<br />

deswegen einen besonderen Status hat, weil sie auf einer sicheren Basis grundet:<br />

verlasslichen Tatsachen, die durch Beobachtung belegt sind. Einige Erwagungen<br />

dieses Kapitels stellen eine Herausforderung fiir diese Sichtweise dar. Eine<br />

Schwierigkeit bezieht sich auf den Umfang, in dem Wahmehmung durch das<br />

Hintergrundwissen und die Erwartungen von Beobachtem beeinflusst wird, sodass<br />

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