8 Theorien als Strukturen I - Moodle 2
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7.3 Die kopernikanische Revolution<br />
Im Europa des Mittelalters war es allgemein anerkannt, dass die Erde sich im<br />
Mittelpunkt eines endlichen Universums befmdet und dass die Sonne, die Planeten<br />
und die Sterne um sie herum kreisen. Die Physik und Kosmologie, die den Rahmen<br />
fur diese Astronomie boten, waren im Grunde bereits im vierten Jahrhundert<br />
V. Chr. von Aristoteles entwickelt worden. Im zweiten Jahrhundert n. Chr. konstruierte<br />
Ptolemaus ein detailHertes astronomisches System, das die Umlaufbahnen<br />
der Sonne und aller Planeten beschrieb.<br />
In den frtihen Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts entwarf Kopemikus eine neue<br />
Astronomie, eine Astronomie, die eine sich bewegende Erde beinhaltete, wodurch<br />
das aristotelische und ptolemaische System herausgefordert wurden. GemaB der<br />
kopemikanischen Vorstellung befmdet sich die Erde nicht im Mittelpunkt des<br />
Universums, sondern umkreist gemeinsam mit den anderen Planeten die Sonne. In<br />
der Zeit, <strong>als</strong> sich zunehmend Belege fiir den kopemikanischen Ansatz fanden,<br />
wurde das aristotelische Weltbild durch das newtonsche ersetzt. Einzelheiten der<br />
Geschichte dieses groBen <strong>Theorien</strong>wechsels - ein Wechsel, der sich liber anderthalb<br />
Jahrhunderte hinzog - unterstutzen keineswegs die Methodologien, die von<br />
Induktivisten und F<strong>als</strong>ifikationisten vertreten werden und zeigen die Notwendigkeit<br />
eines anderen, differenzierteren wissenschaftstheoretischen Ansatzes auf, der<br />
auch den Fortschritt von Wissenschaft erklart.<br />
Als Kopernikus im Jahr 1543 zum ersten Mai Einzelheiten seiner neuen<br />
Astronomie veroffentlichte, gab es eine Menge von Argumenten, die gegen sie<br />
vorgebracht werden konnten - und auch vorgebracht wurden. In Relation zum<br />
wissenschaftlichen Erkenntnisstand jener Zeit waren die Argumente stimmig, und<br />
Kopernikus konnte seine Theorie dagegen nicht befriedigend verteidigen. Um sich<br />
diese Situation vorstellen zu konnen, ist es notwendig, mit bestimmten Aspekten<br />
des aristotelischen Weltbildes vertraut zu sein, auf dessen Anschauungen die Kritik<br />
gegen Kopemikus bemhte. Ein kurzer Abriss einiger relevanter Punkte mag<br />
hier ausreichen.<br />
Das aristotelische Universum wurde in zwei voneinander getrennte Bereiche<br />
unterschieden. Die sublunare, innere Region, reiche von der im Zentrum stehenden<br />
Erde bis in die Umlaufbahn des Mondes. Die superlunare, himmlische Region<br />
sei die Fortsetzung des endlichen Universums, das sich von der Umlaufbahn des<br />
Mondes bis zur Sphare der Sterne erstrecke, die die auBere Grenze des Universums<br />
markierten. AuBerhalb dieser Sphare existiere nichts, nicht einmal Raum.<br />
Nichtausgeflillter Raum ist im aristotelischen System nicht moglich. Alle Himmelskorper<br />
in der superlunaren Region bestiinden aus einem unverganglichen<br />
Element, dem sogenannten Ather. Ather besitze eine natiirliche Neigung, sich in<br />
vollkommenen Kreisen um den Mittelpunkt des Universums zu bewegen. Diese<br />
Grundannahme wurde in der ptolemaischen Astronomie modifiziert und erweitert.<br />
Da Beobachtungen von Planetenpositionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, mit<br />
kreisformigen Umlaufbahnen, deren Mittelpunkt die Erde ist, nicht in Einklang<br />
gebracht werden konnten, fiihrte Ptolemaus weitere Bahnen, sogenannte Epizykel,<br />
in das System ein. Planeten bewegten sich demnach auf Kreisbahnen oder Epizykeln,<br />
deren Zentren sich auf Kreisbahnen um die Erde bewegten. Das System